Ghostwalker 01 - Ghostwalker 01
Im schwachen Licht der Innenbeleuchtung konnte er sehen, dass ihre Haare wild um ihr Gesicht hingen, Kratzer zogen sich über ihre Wange. Jede Faser seines Körpers schrie danach, seine Hand in ihre langen Strähnen zu wickeln, ihr Gesicht zu sich heranzuziehen und sie zu küssen, bis sie beide atemlos waren. Doch das wäre eine ganz schlechte Idee.
„Wir müssen weiter, hier sind wir nicht sicher.“ Klang seine Stimme wirklich so rau?
„Glaubst du, die Mörder sind noch hinter uns her?“
„Ich bin mir sogar sicher. Sie können nicht aufgeben, bevor sie uns ausgeschaltet haben.“
Marisa schauderte sichtbar. „Schaffst du es rüberzurutschen, damit ich fahren kann?“
Coyle nickte knapp und versuchte, seine Gliedmaßen zu sortieren. Es war erstaunlich schwierig, sich die wenigen Zentimeter bis zum Beifahrersitz zu bewegen, wahrscheinlich lag es am Blutverlust. Marisa half ihm, seine Beine über die Mittelkonsole zu heben, dann rutschte sie in den Fahrersitz und schloss die Tür.
„Kannst du dich anschnallen?“
Coyle sah sie einen Moment an und gehorchte dann wortlos, als er erkannte, dass sie es ernst meinte. Sein Mundwinkel hob sich. Da wurden sie von Mördern verfolgt, bluteten aus unzähligen Wunden – und sie dachte an so etwas Profanes wie den Sicherheitsgurt! Sie kontrollierte, ob er ihrer Anweisung gefolgt war, dann startete sie den Motor und fuhr los. Die Konzentration auf ihrem Gesicht, ihre Zungenspitze, die kurz zu sehen war, lösten etwas in seinem Innern aus, das ihn erschreckte. Er hatte nichts dagegen, sich von Marisa sexuell angezogen zu fühlen, aber das hier war anders. Irgendwie … mehr.
Nein, es lag sicher nur daran, dass er sie mochte, ihre unverstellte Art, die Bereitschaft, ihm zu helfen, obwohl sie ihn überhaupt nicht kannte, der Mut, den sie auf der Flucht bewiesen hatte. Er hatte riesiges Glück gehabt, gerade auf ihrer Veranda gelandet zu sein und nicht bei einem der Nachbarn, die sicher sofort die Polizei gerufen hätten. Genau, er war ihr nur dankbar und fühlte sich sexuell zu ihr hingezogen, und das verwechselte er jetzt mit etwas anderem. Etwas, das ihm eine höllische Angst bereitete und nicht sein durfte.
„Lebst du noch?“
Marisas Frage riss ihn aus seinen Gedanken. „Wie bitte?“
„Ich wollte nur wissen, ob du noch bei Bewusstsein bist. Du hast so still dort gesessen, dass ich nicht mal gesehen habe, ob du noch atmest.“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie ihre Augen wieder nach vorne richtete. „Du kannst dich wieder anziehen.“
Diesmal gestattete er sich ein Grinsen. Es war ihm völlig entfallen, dass sein T-Shirt noch nach oben geschoben war. Er war daran gewöhnt, auch in der kalten Nachtluft unbekleidet herumzulaufen, und fror nur in Ausnahmefällen. Aber das konnte Marisa nicht wissen. Sie durfte es nicht wissen. Eigentlich müsste er sie in der nächsten Stadt absetzen, damit sie ihr Leben fortsetzen konnte, doch etwas in ihm sträubte sich dagegen. Und dabei hatte er noch nicht berücksichtigt, dass ihr weiterhin Gefahr drohen könnte, wenn die Mörder ihre Spur aufnahmen. Nein, es wäre besser, sie bei sich zu behalten, bis er ihre Verfolger ausgeschaltet hatte. Obwohl es auch sein konnte, dass sie ihn zuerst erwischten. Vorhin wäre es ihnen fast gelungen. Ein Grollen bildete sich in seiner Kehle, das er gerade noch zurückdrängte. Er würde diese Frau mit seinem Leben beschützen, wenn es sein musste.
„Da ist die Straße!“ Die Erleichterung war ihrer Stimme deutlich anzuhören. Sie ließ den Jeep ausrollen und wandte sich ihm zu. „Wohin jetzt?“
„Fahr ein Stück in Richtung Midpines und nimm dann die nächste unbefestigte Straße, die links abgeht.“
Entgeistert starrte Marisa ihn an. „Was?“
„Wenn wir auf der Straße fahren, werden sie uns früher oder später anhalten, weil wir in einem gestohlenen Wagen sitzen. Ich halte es für besser, erst ein ganzes Stück von unseren Verfolgern entfernt zu sein, bevor wir uns zeigen.“
Es sah aus, als wollte Marisa dagegen protestieren, doch dann biss sie nur auf ihre Lippe und nickte unglücklich. „Was glaubst du, wie lange sie uns noch folgen können?“
Sehr, sehr lange, aber das sagte er ihr lieber nicht, sie war sowieso schon verängstigt genug. Vor allem konnte er sich nicht leisten, von der Polizei aufgegriffen zu werden. Vermutlich würde er dann in irgendeinem Gefängnis verrotten, weil er keine Papiere hatte. Aber wichtiger war, dass er davon ausgehen
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