Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
abgeschlossen. Und beinahe jede Nacht hatte sie sich nach ihm gesehnt und gehofft, dass er zurückkommen würde. Entweder um dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten, oder um ihr zumindest eine Erklärung dafür zu liefern, warum er gegangen war. Aber jetzt war er hier und zumindest im Moment auf sie angewiesen, sodass er nicht entkommen konnte. Jedenfalls nicht, bevor er wieder völlig gesund war.
„Wirst du wieder gehen?“
Schmerz trat in seine Augen, der so groß war, dass sie wünschte, sie hätte ihn nicht gesehen. „Ich muss Melvin zurückholen.“
Trauer presste ihre Kehle zusammen. „Ich verstehe.“
„Er ist mein Sohn, und solange er von der Gruppe ausgeschlossen ist, braucht er meine Hilfe.“ Bedauern lag in seiner Stimme. „Wenn es irgendwie möglich wäre, würde ich …“
Fay hob die Hand und brachte ihn damit zum Schweigen. „Ich meinte es ernst: Ich verstehe, warum du nicht hierbleiben kannst.“ Auch wenn sie wünschte, es wäre anders. Warum konnte sie Conner nicht einfach vergessen, wenn er doch so offensichtlich seinen Sohn ihr vorzog? Weil etwas in ihr sagte, dass er es wert war, ihn zu lieben. Sie war eine Idiotin. Mit einem Ruck löste sie ihre Hand aus seiner Umklammerung und wandte sich ab.
Wie oft wollte sie sich noch von ihm das Herz brechen lassen? Sie ärgerte sich, dass sie ihn wieder so dicht an sich herangelassen hatte.
„Fay …“
Sie blickte ihn kurz an, sah ihn aber nicht wirklich. „Ruh dich aus, damit du dich von deinen Verletzungen erholst. Umso schneller kannst du Melvin suchen.“ Und umso eher konnte sie damit beginnen, ihre Wunden zu lecken und wieder einmal zu versuchen, ihn zu vergessen. Nicht, dass sie das schaffen würde, aber vielleicht würde es ihr gelingen, sich damit abzufinden und ihre Ruhe wiederzuerlangen. Zufrieden mit dieser Entscheidung konzentrierte sie sich wieder auf ihre Arbeit. Sie trat neben Jamila, die sie kurz aufmunternd berührte, aber kein Wort über das verlor, was sich eben zugetragen hatte. Wenn sie die Leopardenwandlerin nicht vorher schon gemocht hätte, wäre es spätestens jetzt der Fall gewesen.
Fay spürte Conners Blick in ihrem Rücken, während sie sich über Lana beugte, doch sie zwang sich, sich nur auf ihre kleine Patientin zu konzentrieren. Es schien dem Berglöwenmädchen etwas besser zu gehen, aber noch war sie nicht über den Berg. Sie konnte jederzeit einen Rückfall erleiden und sterben. Der Gedanke trieb Fay den Schweiß auf die Stirn. Erwachsene Patienten machten ihr schon genug Sorgen, aber ein Kind zu verlieren war das Schlimmste, was sie sich vorstellen konnte. Deshalb würde sie alles tun, was in ihrer Macht stand, um Lana zu heilen. Sie konnte nur hoffen, dass Lana sich wieder ganz erholen würde, damit sie zu ihrer Familie zurückkehren konnte. Und sie würde Conner so schnell wie möglich fit bekommen, damit er seinen Sohn suchen konnte. Es würde reichen müssen zu wissen, dass sie ihren Leuten geholfen hatte, alles andere war zweitrangig. Auch ihr eigenes Glück oder die Tatsache, dass sie zu einem Leben in Einsamkeit verdammt war. Was zählte das schon gegen einen Sieg über den Tod?
Mit jedem Meter, den die Spuren der Menschen tiefer in das Gebiet der Adlerwandler eindrangen, wuchs Griffins Furcht, was er am Ende vorfinden würde. Besonders da er immer noch nicht die Männer selbst sehen konnte, nur ihre Fußabdrücke im Schnee. Sie mussten inzwischen schon dicht beim Lager sein, vielleicht drangen sie gerade in diesem Moment dort ein.
Es war beinahe gespenstisch still im Wald, die Schneeschicht dämpfte sämtliche Geräusche, und die Tiere schienen sich zurückgezogen zu haben. Es war, als hielte die Welt den Atem an, bevor die Katastrophe losbrach. Und es konnte für die Adlerwandler eine werden, wenn nicht ein Wunder geschah. Nun war das eingetreten, was Griffin befürchtet und wovor er schon seit Jahren gewarnt hatte, doch er empfand keinerlei Genugtuung, dass er recht gehabt hatte. Im Gegenteil, er würde alles dafür geben, diesen Tag nie erleben zu müssen. Doch er hatte keine Wahl, wenn seine Gruppe angegriffen wurde, musste er helfen, sie zu schützen. Obwohl er in seinem erschöpften Zustand wahrscheinlich nicht viel ausrichten konnte.
Griffin glitt tiefer und landete auf dem Ast einer hohen Kiefer. So ungern er auch noch mehr Zeit verlor, musste er sich einen Moment ausruhen. Von hier aus konnte er in der Ferne die Felswände sehen, in denen die Horste lagen, aber er war zu weit
Weitere Kostenlose Bücher