Ghostwalker 03 - Raven, M: Ghostwalker 03
da sie Coyle nicht noch mehr aufregen wollte, beschloss sie, das Thema ruhen zu lassen. „Was wird mit Melvin passieren? Nehmen wir ihn mit zurück zum Lager? Conner ist derzeit nicht in der Lage, draußen zu leben, solange seine Verletzungen nicht verheilt sind.“
„Das ist die Entscheidung des Rates, aber ich denke, Finn wird ihnen vorschlagen, die Verbannung aufzuheben, weil Melvin bewiesen hat, dass er uns nicht noch einmal an die Menschen verraten wird.“
„Das wäre gut. Ich glaube, dass Melvin in den letzten Monaten viel gelernt hat.“ Ein Lächeln zog über ihr Gesicht. „Und ich denke, dass auch Conner gerne wieder im Lager leben würde.“
„Dann kann er das doch tun.“
„Ja, aber jetzt, wo Melvin auf ihn angewiesen ist, würde er ihn nicht da draußen alleine lassen, glaube ich. Wenn wir Melvin also wegschicken, wird auch Conner gehen. Und du hast es ja selbst gesagt, wir können uns keine Verluste mehr leisten.“
Coyle nickte knapp. „Ich werde Finn darauf hinweisen, falls er es nicht schon selbst gemerkt hat.“ Unruhig sah er zum Himmel. „Ich hoffe, Marisa ist inzwischen wieder zu Hause.“
„Ruf sie doch an.“
„Ich habe kein Handy dabei, und die Adler scheinen kein Telefon zu besitzen. Sie ziehen es vor, völlig von der menschlichen Welt abgeschnitten zu leben.“
„Und doch sind sie jetzt in der gleichen Situation wie wir.“
„Ja. Auch wenn sie es sich noch nicht eingestehen wollen.“ Er wollte noch etwas sagen, schüttelte dann aber nur den Kopf. „Wir sind da.“
Im fahlen Licht des Mondes konnte Amber einen Mann sehen, der neben einem Adler im Schnee hockte und sich über ihn beugte. In der Nähe saßen mehrere Adler, zwischen denen ein Stück Plane lag, an deren Enden Riemen befestigt waren. Während sie sich noch fragte, was das sein sollte, sah der Mann zu ihnen auf. Seine schwarzen Haare schienen das fahle Mondlicht zu verschlucken, ein undeutbarer Ausdruck lag auf seinem scharf geschnittenen Gesicht.
„Ich bin Amber. Bist du der Heiler der Adlerwandler? Griffin ist schwer verletzt. Ich habe ihn zwar notdürftig behandelt, aber ich kenne mich mit eurer Physiologie nicht gut genug aus, dass ich ihm wirklich helfen könnte.“
„Ich habe vorhin gesehen, wie du ihn weggebracht hast, aber nicht, wohin.“ Er wandte sich wieder seinem Patienten zu. „Ich bin Ciaran. Einen richtigen Heiler haben wir nicht, aber ich habe ein wenig Erfahrung mit der Behandlung von Wunden. Ich werde mich um Griffin kümmern, wenn ich hier fertig bin.“
Auch wenn Amber noch so ungeduldig war, sie konnte kaum verlangen, dass Ciaran den Adler liegen ließ, um sich um Griffin zu kümmern. Seine Verletzungen waren eindeutig schwerwiegender, das konnte selbst sie als Laie erkennen.
Abrupt richtete sie sich auf. „Würde es helfen, wenn ich Griffin hierherbringe?“
Ciaran sah noch einmal auf. „Wo ist er verletzt?“
„Am Flügel.“
„Dann ist es besser, er bleibt dort liegen, bis ich zu ihm kommen kann. Je mehr wir ihn bewegen, desto mehr könnten wir zerstören.“
Amber biss auf ihre Lippe. „Ich will ihn dort nur nicht so alleine liegen lassen. Er muss furchtbare Schmerzen haben und …“
Die Miene des Adlermannes wurde ein wenig weicher. „Geh zu ihm, ich finde euch schon.“
„Geh ruhig, Amber, ich bringe ihn zu dir, wenn er hier fertig ist.“ Sie hatte beinahe vergessen, dass Coyle noch neben ihr stand.
Dankbar lächelte sie ihn und Ciaran an, dann verwandelte sie sich und lief, so schnell sie konnte, zu Griffin zurück.
26
Melvin versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie elend er sich fühlte. Er hatte die Menschen hierhergeführt und trug damit die Verantwortung für all die Toten und Verletzten dort draußen. Und er hatte selbst einen Mann getötet. Auch wenn es Notwehr gewesen war, würde er nie den Moment vergessen, als die Kugel in Jennings’ Brust eingeschlagen war und ihn umgeworfen hatte. Eigentlich war es nur ein Glückstreffer gewesen, ausgelöst durch den Wunsch, Amber zu retten, denn Melvin hatte noch nie vorher eine Schusswaffe benutzt. Oder hatte es auch etwas mit Rache zu tun gehabt, wegen dem, was Jennings seinem Vater und ihm angetan hatte? Vermutlich. Melvin hob den Kopf und sah sich in der Hütte um, in die ihn mehrere schweigsame Adlerwächter geführt hatten. Es schien sich um eine Wohnhütte zu handeln, die hoch im Wipfel eines Baumes lag. Glücklicherweise gab es Strickleitern, sonst wäre er in seinem momentanen Zustand
Weitere Kostenlose Bücher