Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
folgen?«
»Nein, sie hat mich darin bestärkt, mir mein eigenes Leben aufzubauen.«
»Ich denke, Ihre Mutter wollte, dass Sie bei den Berglöwenwandlern glücklich sind.« Als er nichts sagte, runzelte sie die Stirn. »Das waren Sie doch?« Sie sah, wie sich Torik wieder anspannte.
»Ich war dankbar, bei den Wandlern ein neues Zuhause gefunden zu haben, und mehr als glücklich, mit Hazel zusammen zu sein. Und als Torik auf die Welt kam, war ich der glücklichste Mann der Welt.« Sein Blick traf den seines Sohnes. »Doch je länger ich dort war, desto größer wurde meine Angst, so zu werden wie mein Vater.«
Torik runzelte die Stirn. »Du hast uns nie geschlagen.«
Tenaya neigte den Kopf. »Ich hätte mir eher die Hände abgehackt, als die Hand gegen euch zu erheben. Ich habe euch mehr geliebt als alles andere auf der Welt.«
»Aber warum hast du dann oft so traurig gewirkt?«
Für einen Moment glaubte Caitlin, dass Tenaya nicht antworten würde, doch dann fuhr er mit der Hand über sein Gesicht. »Ich kam mir nutzlos vor, weil ich mich nicht verwandeln konnte wie ihr. Ich habe nie wirklich dazugehört.«
Caitlin konnte Toriks Ärger beinahe körperlich spüren. »Das ist Unsinn! Du warst ein Teil der Gruppe, und niemand hat dich jemals wie einen Außenseiter behandelt. Alle mochten dich, und es war ihnen egal, dass du ein Mensch warst und kein Wandler. Du hast Mom glücklich gemacht, nur das zählte für sie.« Torik ging zur Hintertür und riss sie auf. »Ich brauche frische Luft.« Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss.
Stille breitete sich in der Hütte aus, nur unterbrochen von Tenayas heftigen Atemzügen. Caitlin trat zu ihm und legte ihre Hand auf seinen Arm. Mit geröteten Augen blickte er sie an. »Er wird nicht wiederkommen, oder?«
»Doch, ich denke schon. Er braucht im Moment wahrscheinlich nur etwas Abstand, um das alles zu verarbeiten …« Jedenfalls hoffte sie, dass er sie nicht einfach hier zurücklassen würde. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass sein Pflichtgefühl gegenüber der Gruppe siegen würde.
»Ich werde ihm nie beweisen können, wie sehr ich seine Mutter und ihn liebe und wie sehr ich mir wünschte, unser Leben wäre anders verlaufen. Wie sehr ich sie jeden Tag vermisst habe und wie groß die Versuchung war, nach dem Tod meiner Mutter wieder ins Lager zurückzukehren. Aber ich wusste, dass es dafür zu spät war.«
Caitlin räusperte sich, um den Kloß aus ihrer Kehle zu bekommen. »Ach, ich weiß nicht. Vielleicht erkennt Torik, dass Sie nicht anders handeln konnten. Er würde sicher auch nie seine Mutter im Stich lassen.«
»Haben Sie … haben Sie auch Hazel gesehen?«
Bedauernd schüttelte Caitlin den Kopf. »Außer Torik kenne ich niemanden aus der Gruppe. Und vermutlich werde ich auch nie jemanden treffen.«
Verwirrt sah Tenaya sie an. »Ich dachte, Sie und Torik wären … « Er brach ab, als Caitlin heftig errötete. »Entschuldigen Sie, das geht mich wirklich nichts an.«
»Sie sind sein Vater, natürlich interessieren Sie sich dafür.«
Tenaya lächelte schmerzlich. »Ich denke nicht, dass Torik das auch so sieht. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich tatsächlich gerne wissen, wie Sie sich kennengelernt haben. Ich hätte nicht gedacht, dass mein Sohn jemals in die Menschenwelt kommen würde.«
Caitlin nickte. »Das hat er auch nicht freiwillig getan. Wie gesagt habe ich ein Buch über Berglöwenwandler geschrieben. Die Gruppe ist darauf aufmerksam geworden, und Torik wurde zu mir nach Montana geschickt, um herauszufinden, woher ich von ihnen weiß. Jedenfalls denke ich, dass es so abgelaufen ist, Torik redet nicht wirklich viel.«
Das brachte ein echtes Lachen. »Oh ja, so war er schon immer.«
»Jedenfalls kam er gerade rechtzeitig, um mich vor zwei Verbrechern zu retten, die mich entführen wollten. Er hat sie verjagt und … nun ja … wir sind uns in den nächsten Tagen etwas nähergekommen. Allerdings wusste ich da noch nicht, dass er ein Gestaltwandler ist, das hat er mir erst gestern Abend erzählt. Oder vielmehr gezeigt.« Die Erinnerung, wie Torik in Berglöwenform ausgesehen hatte, ließ sie verstummen.
Bevor Tenaya etwas sagen konnte, öffnete sich die Haustür. In der Erwartung, dass es Torik war, blickte Caitlin zum Eingang. Überrascht atmete sie ein, als ein Unbekannter eintrat und die Tür lautlos wieder hinter sich zuzog.
Tenaya trat vor. »Wer sind Sie, und was wollen Sie? Ich wüsste nicht, dass ich Sie in mein Haus
Weitere Kostenlose Bücher