Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
blickte seinen Sohn direkt an. »Ich beantworte dir gerne jede deiner Fragen. Aber zurück zu dem Treffen vor zwei Jahren. Es sollte keine Entschuldigung sein, dass ich betrunken war. Es ist und bleibt ein nicht wiedergutzumachender Fehler, einem Außenstehenden etwas über die Gruppe zu erzählen. Ich kann dir aber versichern, dass das nie wieder vorkommen wird. Eher würde ich mir die Zunge herausschneiden, als euch zu verraten.«
Skeptisch blickte Torik ihn an. »Und wenn du das nächste Mal betrunken bist?«
Röte stieg in Tenayas Wangen. »Ich trinke seit dem Tag nicht mehr.«
Es war offensichtlich, dass Torik ihm nicht glaubte, aber er hob nur die Schultern. »Das sagen Alkoholiker immer.«
Tenaya zuckte zusammen und atmete dann tief durch. »Ich kann es leider nicht rückgängig machen, aber es war das letzte Mal, dass ich Alkohol getrunken habe, das schwöre ich.« Als Torik schwieg, neigte sein Vater den Kopf. »Ich kann verstehen, dass du mir nicht glaubst. Wenn es dir hilft, komme ich mit zum Lager und spreche mit eurem Rat.«
Torik trat dicht an ihn heran und beugte sich mit harter Miene zu ihm hinunter. »Der einzige Grund, warum ich hier noch so ruhig mit dir rede, ist, dass deine Informationen zur Gruppe veraltet waren. Wir leben nicht mehr in dem Lager, das du kennst. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dich jetzt ins neue Lager bringe und dir damit neue Informationen liefere, die du verbreiten kannst?«
Tenayas Schultern sanken herab. »Ich weiß nicht, wie ich dir sonst versichern kann, dass ihr von mir nichts zu befürchten habt. Ich würde euch niemals wissentlich Schaden zufügen.«
»Du hast uns verlassen.« Toriks Stimme war zu einem Flüstern herabgesunken, trotzdem konnte Caitlin den Schmerz darin wahrnehmen.
Tränen traten in Tenayas Augen. »Ja. Und seitdem ist nicht ein Tag vergangen, an dem ich mich nicht nach euch gesehnt hätte.«
Abrupt richtete Torik sich auf und drehte seinem Vater den Rücken zu. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Du hättest jederzeit zurückkommen können, aber du hast es nie getan.«
Tenaya stand auf und streckte die Hand aus, als wollte er Torik berühren, doch dann ließ er den Arm sinken. Kummer war deutlich sichtbar in sein Gesicht gegraben. »Ich konnte nicht zurück, nachdem ich bei meiner Mutter war.« Er blickte Caitlin kurz an, und sie konnte das Schuldgefühl in seinen Augen sehen.
Torik sagte nichts, doch jetzt hörte er zu. Deshalb übernahm Caitlin für ihn. »Was war mit Ihrer Mutter?«
Traurig lächelte Tenaya ihr zu. »Ich bin hier in der Rancheria geboren und aufgewachsen. Mit meiner Mutter Malila und meinem … Vater wohnte ich in einem kleinen Haus am Waldrand. Um es kurz zu machen: Irgendwann ertrug ich die Misshandlungen meines Vaters nicht mehr und flüchtete in den Wald. An der Schlucht geriet ich in einen Erdrutsch und stürzte in den Fluss. Ich wäre ertrunken, wenn Hazel mich nicht gerettet hätte.« Ein sanftes Lächeln lag bei der Erinnerung auf seinem Gesicht. Seine Augen trafen Caitlins. »Hazel ist Toriks Mutter und die Liebe meines Lebens.«
Torik gab ein Grollen von sich. »Sag so etwas nicht!«
»Warum nicht? Es ist die Wahrheit.« Er wandte sich von Toriks starrem Rücken ab und wieder Caitlin zu. »Ich wusste natürlich nicht, was Hazel war, aber sie war das schönste Mädchen, das ich je gesehen hatte. Ein Engel.« Tränen schimmerten in seinen Augen. »Sie verschwand, und ich bin nach Hause zurückgekehrt, weil ich nicht wollte, dass meine Mutter sich Sorgen machte. Ich wusste aber, dass ich mein Zuhause verlassen musste, denn irgendwann hätte mein Vater mich umgebracht – oder ich ihn. Ich versuchte, meine Mutter zu überreden, mit mir zu kommen, doch sie weigerte sich. Trotz allem hat sie ihn geliebt und wollte bei ihm bleiben.« Ein Schauder lief durch Tenayas Körper. »Bevor ich gehen konnte, tauchte mein Vater auf und schlug mich nieder.« Sein Blick glitt wieder zu Torik. »Hazel hat ihn angegriffen, um mich zu retten, er stürzte und verlor das Bewusstsein. Sie war der erste Berglöwe, den ich je in freier Natur gesehen hatte. Als sie sich verwandelte, war ich wie gelähmt, doch dann wollte ich sie eigentlich nur festhalten und nie wieder loslassen. Meine Mutter erzählte mir, dass sie ein Ghostwalker ist, davor hatte ich nie davon gehört.« Etwas wie ein Lachen drang aus seiner Kehle. »Hazel ist weggelaufen, und ich brauchte all meine Spurenleserkenntnisse, um ihr folgen zu können. Doch
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