Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
feststellte, dass er nicht selbstständig atmen konnte. Je mehr er es versuchte, desto unangenehmer wurde es. Seine Hand flog zu seinem Gesicht, um den Fremdkörper zu entfernen, doch bevor er ihn erreichen konnte, schloss sich etwas Warmes, Weiches um sein Handgelenk. Ein vertrauter Geruch umwehte ihn. Aber das konnte nicht sein, Hazel war nicht hier. Nach dem, was er ihr angetan hatte, würde sie ihm vermutlich nicht mal eine Hand reichen, wenn sie sich jemals wieder begegneten. Zu Recht.
Obwohl er das wusste, öffneten sich seine Augen, und er blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit an. Er wollte seine Hand heben, aber sie wurde immer noch festgehalten.
»Bleib ruhig liegen, der Arzt kommt gleich.« Träumte er es nur, oder war es tatsächlich Hazels Stimme?
Tenaya wollte etwas sagen, doch der Schlauch in seinem Hals hinderte ihn daran. Stattdessen konnte er nur einen frustrierten Laut von sich geben. Seine Augen gewöhnten sich langsam an das Licht, und er erkannte endlich etwas mehr als nur Umrisse. Eine Frau beugte sich über ihn, goldbraune Augen blickten ihn besorgt an. Honigblonde Haare umgaben in sanften Wellen ihr Gesicht. Gierig ließ Tenaya seinen Blick über sie gleiten, sah die Falten um Augen und Mundwinkel, die früher nicht da gewesen waren, die ersten grauen Fäden in den halblangen Haaren. Wie sehr wünschte er sich, er wäre dabei gewesen und hätte die Veränderungen beobachten können. Stattdessen hatte er nur im Spiegel gesehen, wie er selbst langsam gealtert war. Verlust und Bedauern pressten seine Kehle zusammen, bis er das Gefühl hatte zu ersticken.
Und dann bewegte Hazel sich plötzlich von ihm weg, ihre Hand löste sich von seinem Arm. Nein! Er wollte betteln, dass sie bei ihm bleiben sollte, doch er brachte kein Wort heraus. Tränen bildeten sich in seinen Augenwinkeln, und er versuchte sich aufzurichten, wurde aber daran gehindert.
Ein anderes Gesicht tauchte über ihm auf. »Wie schön, dass Sie wieder bei uns sind, Mr Colston. Ich bin Dr. Jacobs und werde Sie jetzt untersuchen. Bleiben Sie bitte ganz ruhig liegen.« Tenaya gab einen rauen Laut von sich. Der Arzt legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sie können noch nicht sprechen, Sie haben einen Beatmungsschlauch im Hals. Wenn Sie selbstständig atmen können – und davon gehe ich aus –, werde ich ihn gleich entfernen.«
Ungeduldig wartete Tenaya darauf, endlich wieder sprechen zu können, während Dr. Jacobs ihn untersuchte.
»Okay, sieht alles gut aus.« Er nickte jemandem zu, bevor er sich über Tenaya beugte und seine Finger auf etwas legte, das sich über Tenayas Mund befand. »Ich werde Sie jetzt extubieren. Atmen Sie ein und dann ganz tief aus, während ich den Schlauch herausziehe.« Tenaya nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. »Wenn der Schlauch draußen ist, versuchen Sie, zuerst ganz flach zu atmen, bis Sie sich wieder daran gewöhnt haben.« Der Arzt sah über Tenaya hinweg, und seine Miene wurde weicher. »Sie können seine Hand halten, wenn Sie möchten.«
Als sich Finger um seine Hand schlossen, wusste er, dass Hazel immer noch bei ihm war. Erleichterung breitete sich in ihm aus, als sie ermutigend seine Hand drückte.
»Gut, fangen wir an. Atmen Sie ein … « Tenaya tat gehorsam, was von ihm verlangt wurde. »… und jetzt lange aus.«
Tenaya kämpfte darum, den Würgereiz zu unterdrücken, als der Schlauch in einer gleichmäßigen Bewegung aus seinem Hals gezogen wurde. Seine Lunge zog sich schmerzhaft zusammen, doch er schaffte es, nicht einzuatmen. Endlich verschwand der Fremdkörper aus seiner Kehle, die sich rau anfühlte. Auch sein Mund schmerzte und war völlig ausgetrocknet.
»Atmen Sie jetzt ganz langsam und flach ein.« Tenaya folgte der Anweisung und drückte Hazels Hand fester, als der Schmerz stärker wurde. »Gut, jetzt wieder ausatmen, genauso langsam.«
Nach einigen Atemzügen verringerten sich die Schmerzen, und Tenaya war froh, wieder selbstständig atmen zu können.
Die Krankenschwester hielt ihm ein Glas mit Strohhalm entgegen. »Damit können Sie Ihren Mund ausspülen. Bitte noch nichts trinken.«
Er nahm dankbar einen Schluck und spülte seinen Mund aus. Nachdem sich seine Zunge endlich nicht mehr wie ein Fremdkörper anfühlte, drehte Tenaya seinen Kopf zur Seite und sah Hazel an. Sie stand neben dem Bett, die Arme um ihren Körper geschlungen, als wäre ihr kalt. Unsicherheit stand in ihren Augen, ihre Zähne gruben sich in ihre Unterlippe, während sie auf die
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