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Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit

Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit

Titel: Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Raven
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ihm fehlte die Kraft dazu. Immer wieder sah er seinen Vater vor sich, wie er bleich und in sich zusammengesunken auf der Trage lag, das Blut ein greller Farbklecks auf seiner Brust. An den ernsten Gesichtern der Ärzte hatte Torik ablesen können, wie schlimm es um ihn stand. Früher war sein Vater ein Kämpfer gewesen, aber er wusste nicht, ob er nicht inzwischen aufgegeben hatte.
    Der Gedanke entfachte erneut die Wut in ihm. Wie hatte Tenaya sie einfach im Stich lassen können? Natürlich verstand er, dass sein Vater sich aus dem Gefängnis nicht hatte melden können und sich danach um seine kranke Mutter hatte kümmern müssen, aber es hätte doch sicher irgendeinen Weg gegeben, wie sie trotzdem hätten zusammen sein können. Wenn er wenigstens eine Nachricht geschickt hätte, als er wieder frei war! Aber das hatte er nicht getan. Achtundzwanzig Jahre lang kein einziges verdammtes Wort. Tenaya hätte doch wissen müssen, wie sehr Hazel ihn liebte und dass sie mit keinem anderen Mann glücklich werden würde. Trotzdem war er gegangen und vermutlich genauso einsam gewesen wie sie.
    Torik rieb müde über sein Gesicht, als der Ärger in ihm abebbte. Selbst wenn er es Tenaya nie verzeihen würde, dass er seine Familie verlassen hatte, könnten sie vielleicht wieder eine Beziehung zueinander aufbauen, wenn er überlebte. Und das musste er, damit er ihm für Caitlins Rettung danken konnte. Wäre sein Vater nicht gewesen, hätte es auch Caitlin sein können, die jetzt gerade um ihr Leben kämpfte. Sein Herz hämmerte wild in der Brust, Schweiß brach ihm aus. Caitlin schien zu merken, dass er sie anstarrte, denn sie hob den Kopf und blickte ihn an. Ihre Augen weiteten sich, als sie seinen Zustand sah.
    Sie setzte sich gerader hin und deutete auf den Stuhl neben sich. »Setz dich, bevor du umfällst.« Sanft nahm sie seine Hand, als er sich nicht rührte. »Komm zu mir.«
    Beinahe verzweifelt schüttelte er den Kopf und entzog sich ihrer Berührung. »Ich … kann nicht.«
    Kummer malte sich auf ihrem Gesicht ab. »Du bist wütend auf mich, weil dein Vater meinetwegen verletzt wurde.«
    Fassungslos starrte Torik sie an. »Wie kommst du denn auf die Idee?« Er hockte sich vor sie und nahm ihre Hände in seine. »Ich bin froh, dass du unverletzt bist. Ich hätte es nicht ertragen, dich dort liegen zu sehen!«
    Ihre Augen schimmerten feucht. »Aber warum willst du dich dann nicht zu mir setzen?«
    Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an. »Weil ich mir nicht leisten kann, jetzt zusammenzubrechen. Und das würde ich, wenn du mich berührst.«
    »Wäre das so schlimm?« Ihre Stimme war sanft. »Du musst nicht immer stark sein, Torik. Ich weiß, wie schlimm es sein muss, deinen Vater so zu sehen, aber vielleicht hilft es dir, wenn du dich einfach mal an jemanden anlehnst. Und wozu sind Freunde sonst gut?«
    »Nach allem, was passiert ist, willst du immer noch meine Freundin sein?« Die Frage blieb beinahe in seiner Kehle stecken.
    »Natürlich!« Sie drückte seine Finger. »Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst, so wie du auch für mich da warst.«
    Torik konnte ihr ansehen, dass sie es ernst meinte, und nickte schließlich. »Danke.«
    Caitlin beugte sich vor und legte ihre Arme um seinen Hals. Ihre Wange presste sich an seine, und Torik schloss die Augen, als die Gefühle ihn überrollten. Er zog Caitlin fest an sich und ließ sich von ihrer Nähe, ihrem Duft und der Wärme ihres Körpers beruhigen. Als er sich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte, löste er sich von ihr. Er wollte irgendetwas sagen, ihr dafür danken, dass sie ihn aufgefangen hatte, aber die Worte fehlten ihm.
    Caitlin schien ihn auch so zu verstehen. Sanft lächelte sie ihn an. »Besser?« Er nickte und setzte sich neben sie. Caitlin runzelte die Stirn. »Ich habe mir überlegt … «
    Als sie abbrach, sah er sie fragend an. »Was?«
    »Meinst du, deine Mutter würde wissen wollen, dass dein Vater so schwer verletzt ist?«
    Torik wollte automatisch »Nein!« rufen, doch das wäre nicht die Wahrheit. »Ich denke schon.« Er ließ den Kopf sinken und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Als seine Finger die gerade verschorfte Wunde berührten, zuckte er zusammen. »Sie hat ihn nie vergessen.«
    Caitlin legte ihre Hand auf seinen Kopf. »Wenn er dir ähnlich ist, dann kann ich sie sehr gut verstehen.« Als er sie anstarrte, hob sie die Schultern. »Aber du kannst sicher sein, dass ich es dir nicht verzeihen würde, wenn du ohne ein Wort

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