Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
verwandelte. Anstelle von Fell war nun ein Mopp blonder Haare, große blaue Augen und eine winzige Nase zu sehen. Lana hob Amber die Arme entgegen, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sie hochgehoben werden wollte. Ihre Lippen bewegten sich, als würde sie lautlos reden.
Amber hob den kleinen Körper samt Decke aus dem Bett und küsste die zerzausten Haare. »Dann gehen wir mal raus und sehen, ob dein Dad wieder da ist.« Sie hatten zusammen mit Nolen beschlossen, dass Lana sie nicht mit Vornamen anreden sollte, da es ihr das Gefühl geben könnte, nicht richtig zur Familie zu gehören.
Nachdem sie die Decke sorgfältig festgesteckt hatte, trat Amber aus der Hütte. Noch immer konnte sie Stimmen hören, und so ging sie zielstrebig darauf zu. Ihr Geruchssinn sagte ihr kurz darauf, dass Griffin tatsächlich im Lager war. Als sie auch Spuren von Blut in der Luft wahrnahm, begann sie zu laufen. Lana klammerte sich mit geweiteten Augen an ihr fest. Auch wenn Finn ihr versichert hatte, dass es Griffin gut ging, wollte sie das selbst sehen. Erleichtert atmete sie auf, als sie die kleine Gruppe erreichte, die vor der Ratshütte stand, und Griffins hochgewachsene Gestalt inmitten der anderen Männer entdeckte.
Kell, einer der Wächter, stieß Griffin mit dem Ellbogen an, und er drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht leuchtete auf, und er kam rasch auf sie zu. »Warum seid ihr denn nicht im Bett?«
Amber lehnte sich an ihn und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. »Es war so einsam dort, und außerdem habe ich mir Sorgen um dich gemacht.«
Griffin legte seine Arme um Amber und Lana und schloss die Augen. »Und ich habe euch vermisst.«
»Da … Da!«
Überrascht blickten Amber und Griffin Lana an. Griffin erholte sich als erster. »Sie spricht!«
»Es sieht so aus.« Lächelnd drückte Amber sie an sich. »Wo ist Dad, Lana?«
Lanas Hand streckte sich nach Griffins Gesicht aus. »Da … Da!«
Tränen schimmerten in Griffins Augen, als ihm klar wurde, dass das erste Wort seiner Ziehtochter »Dad« war. »Wer bringt ihr denn so was bei?«
Amber legte ihre Hand an seine Wange. »Sie selbst, so wie es aussieht.« Widerstrebend löste sich Amber von Griffin und betrachtete ihn von Kopf bis Fuß. »Wie geht es dir? Bist du verletzt?«
»Nein, es ist alles in Ordnung.«
»Aber du riechst nach Blut.«
Griffin verzog den Mund. »Es ist nicht meines. Leider kam ich zu spät und konnte nicht mehr viel tun. Diese Verbrecher haben Marisas Wagen einfach von der Straße gedrängt!« Seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Marisa sah schlimm aus, ich hoffe nur, dass sie ihr im Krankenhaus helfen können.«
Aufmunternd drückte Amber seine Hand. »Finn sagte, dass Isabel und Keira schon dort sind. Marisa schwebt nicht in Lebensgefahr. Sie hat zwar einige schwere Verletzungen erlitten, aber sie wird wieder gesund.«
»Gott sei Dank!« Griffin blickte zu den anderen Männern hinüber, die gerade Kisten in die Hütte trugen. »Ich wollte bei Coyle bleiben, aber er hat darauf bestanden, dass ich die Beweise in Sicherheit bringe.«
»Was geschieht damit? Werden sie vernichtet?«
Griffin hob die Schultern. »Ich denke schon. Wir müssen unbedingt verhindern, dass sie jemals in die Hände von Menschen geraten. Aber ich glaube, der Rat will das Material erst sichten, damit sie überblicken können, wie viel unser Gegner über uns weiß.«
Aus den Augenwinkeln sah Amber eine Bewegung zwischen den Bäumen und prüfte den Geruch. Bowen. Diese Sache musste seine ganzen alten Wunden wieder aufreißen. Die Gefangennahme und die Folter. Während sie ihn beobachtete, straffte Bowen seine Schultern und trat auf die Lichtung. Die Gespräche verstummten nach und nach, und die Spannung war beinahe mit Händen greifbar.
Die Miene des jungen Mannes war angespannt, doch seine Stimme klang ruhig, als er sprach. »Ich will die Videos sehen.«
Finn legte eine Hand auf seine Schulter. »Ich glaube nicht, dass das eine so gute Idee ist, Bowen.«
»Ich schon.« Bowens grüngoldene Augen verengten sich. »Ich denke, ich habe ein Recht, zu sehen, was Stammheimer mit meiner Hilfe an Beweisen gesammelt hat.«
Amber schnitt eine Grimasse, als sie den Selbsthass in Bowens Stimme hörte. Er war immer so still und unauffällig, dass man viel zu schnell vergaß, was er Furchtbares durchmachen musste. Dabei gab es keinen Grund für ihn, sich schuldig zu fühlen. Er hatte allen Versuchen von Stammheimer, ihn zu einer Verwandlung zu bringen,
Weitere Kostenlose Bücher