Ghostwalker 04. Fluch der Wahrheit
dann verstand sie, dass sie wahrscheinlich an einen Tropf angeschlossen war.
Es machte sie wahnsinnig, sich nicht bewegen zu können, und vor allem, nicht zu wissen, was genau mit ihr nicht stimmte. Die Frage war nur, wie sie sich bemerkbar machen konnte, damit ihr jemand erklärte, warum sie sich nicht rühren konnte. Vermutlich gab es irgendwo einen Knopf, mit dem man eine Schwester rief, doch so würde sie ihn nie erreichen. Ihr Arm fühlte sich an wie aus Blei, es gelang ihr nicht, ihn auch nur ein winziges Stück zu heben. Ein ungeduldiger Laut drang aus ihrer Kehle, der beinahe im Lärm ihres wild pochenden Herzens unterging. Ihr Körper und ihr Verstand weigerten sich, so eingesperrt zu sein, und verlangten ihre Freiheit. Das Piepsen des Herzmonitors wurde lauter und schneller, immer im Rhythmus ihres Herzschlags.
Ein anderes Geräusch mischte sich dazwischen: ein seltsames Quietschen, das immer näher kam. Es verstummte an ihrem Bett, und sie konnte sehen, wie sich eine Frau über sie beugte. Die weiße Kleidung deutete darauf hin, dass sie vom Krankenhauspersonal war. Marisa blinzelte, doch sie konnte trotzdem nur unscharfe Umrisse erkennen.
»Oh, Sie sind wach!« Die Frau drehte sich weg. »Kerry, ruf Dr. Lombardt aus, seine Patientin aus dem Autowrack ist aufgewacht.« Etwas berührte Marisas Arm. »Bleiben Sie ganz ruhig, wir kümmern uns um Sie.«
»W…wo … bin ich?« Marisa konnte ihre Frage selbst kaum verstehen, so rau klang ihre Stimme.
Die Schwester schien das Problem nicht zu haben. »Sie sind in Las Vegas, im University Medical Center. Sie hatten einen schweren Autounfall.«
Las Vegas. Gut, das war vermutlich logisch, da auf der Strecke, die sie bis dahin zurückgelegt hatten, keine andere größere Stadt mit einem Krankenhaus lag. Das bedeutete aber auch, dass sie vermutlich noch in Reichweite der Verbrecher war, sofern es noch weitere gab, die hinter ihnen her waren. Und wenn Coyle versuchen sollte hierherzukommen, würde er wieder in Gefahr geraten.
»Könnten … Sie mir ein … Telefon bringen?«
»Zuerst wird der Arzt mit Ihnen sprechen und Sie noch einmal untersuchen.« Die Antwort der Krankenschwester war entschuldigend. »Soll ich jemanden für Sie benachrichtigen?«
Marisa biss die Zähne zusammen. »Nein, das möchte ich … lieber selbst machen.«
»Es wird sicher nicht lange dauern.« Die Hand drückte noch einmal ihren Arm und ließ ihn dann los.
»Könnte ich etwas zu trinken haben?« Ihre Stimme schien mit jedem Wort krächzender zu werden.
»Ich kann Ihnen ein paar Eischips für Ihren Hals geben, aber wir müssen auf die Erlaubnis des Doktors warten, bevor Sie richtig trinken können. Bis dahin bekommen Sie die nötige Flüssigkeit durch eine Infusion.«
»Ja, bitte.« Jedes Schlucken fühlte sich an, als hätte sie Reißzwecken in der Kehle. Dankbar nahm sie die kleinen Eischips entgegen, die ihren rauen Rachen kühlten.
Nach Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, betrat endlich der Arzt den Raum. Zumindest nahm sie an, dass er es war, denn sie konnte immer noch nicht viel mehr erkennen als unscharfe Flächen. Selbst als es im Zimmer heller wurde, sah sie sein Gesicht nicht deutlicher. Furcht kroch in Marisa hoch. Wenn irgendetwas mit ihren Augen nicht gestimmt hätte, dann wären sie doch vermutlich verbunden worden, oder? Außerdem konnte sie sich daran erinnern, dass sie nach dem Unfall noch einwandfrei funktioniert hatten, als sie im Wrack eingeklemmt gewesen war. Coyles verzweifeltes Gesicht stand noch so deutlich vor ihr, als wäre er hier. Vielleicht lag es an den Schmerzmitteln – jedenfalls hoffte sie das.
»Guten Morgen, ich bin Dr. Lombardt.« Der Arzt beugte sich über sie. »Wie fühlen Sie sich, Miss Pérèz?«
»Als hätte ich mich … mit meinem Auto … überschlagen.«
Er hatte ein angenehmes Lachen, stellte sie fest, auch wenn sie derzeit nichts lustig finden konnte. »Sie erinnern sich also, das ist gut. Ich hatte schon Bedenken, dass Sie durch den Schlag an die Schläfe etwas vergessen haben könnten.«
Marisa verzog den Mund. »Unglücklicherweise … kann ich mich … an jedes Detail … erinnern.«
»Ich verstehe, dass das nicht angenehm für Sie sein kann.« Seine Stimme war sanfter geworden. »Ich werde Sie jetzt noch einmal schnell untersuchen, Sie können mir Fragen stellen, und dann lasse ich Sie schlafen. Vor allem brauchen Sie jetzt Ruhe, damit Ihre Verletzungen heilen können.«
»Was … was genau sind das für …
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