Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
er plötzlich Isabels Stimme hörte.
»Bowen!«
Sie klang so deutlich, als stünde Isabel direkt neben ihm, doch er wusste, dass sie nicht hier war. Es roch nur nach Wald und er konnte nirgends eine menschliche Präsenz spüren. Bowen schüttelte den Kopf, doch er schaffte es nicht, das Gefühl drohenden Unheils zu unterdrücken. Der Ruf hatte verzweifelt geklungen und Bowen hatte deutlich Isabels Angst gespürt. Damals in Nevada waren sie auf eine merkwürdige Weise geistig miteinander verbunden gewesen, doch er konnte sich nicht vorstellen, dass die Verbindung auf diese Entfernung noch wirkte. Aber was, wenn Isabel wirklich in Gefahr schwebte? Wenn er ihr helfen konnte, aber nichts tat, weil er den Ruf für Einbildung hielt, würde er sich das nie verzeihen. Zumindest musste er herausfinden, wo sie gerade war und ob es ihr gut ging. Nachdem er die Entscheidung getroffen hatte, lief Bowen zum Lager zurück.
Er nahm sich gerade noch die Zeit, sich zu verwandeln, bevor er kurz an Finns Tür klopfte. Gerüche stiegen in seine Nase, die ihm wieder bewusst machten, dass Jamila seit einigen Monaten bei Finn lebte. Hoffentlich hatte er sie nicht bei irgendetwas unterbrochen, aber er wollte nicht bis zum Morgen warten, um zu erfahren, ob es Isabel gut ging. Gerade als er noch einmal klopfen wollte, wurde die Tür aufgerissen.
Finn stand nackt in der Türöffnung und blickte Bowen ernst an. »Ist etwas passiert?«
Bowen senkte die Hand und richtete sich zu voller Höhe auf. Neben Finn kam er sich stets klein vor, dabei war er inzwischen auch schon beinahe einen Meter neunzig. Im Gegensatz zu Finns muskulösem Körperbau war er jedoch eher schlank. »Ich war eben draußen unterwegs und hatte plötzlich das Gefühl, dass irgendetwas mit Isabel geschehen ist.«
Finns Augenbrauen zogen sich zusammen. »Isabel ist mit Keira in Nevada. Ich habe nichts von irgendwelchen Problemen gehört.«
Röte stieg in Bowens Wangen. »Das weiß ich. Aber irgendwie … « Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe etwas gespürt. Könntest du sie anrufen und nachfragen, ob alles in Ordnung ist?«
Für einen Sekundenbruchteil stand etwas wie Unbehagen in Finns Augen, dann nickte er. »Natürlich. Komm herein.«
Bowen folgte Finn in die Hütte und nahm am Tisch Platz, während der Ratsführer das Telefon holte.
Jamila kam in eine Decke gehüllt die Treppe hinunter. »Hallo Bowen. Kann ich dir etwas zu trinken anbieten? Einen Tee?« In ihrer sanften Stimme war ihre afrikanische Herkunft deutlich zu hören. Auch ihre dunkle Hautfarbe zeugte davon, dass sie keine Berglöwenwandlerin war.
Es hatte einige Zeit gedauert, bis Bowen akzeptieren konnte, dass die schwarze Leopardin nicht mehr zu seinen Feinden gehörte, sondern nun Teil der Gruppe war. Immer noch gab es einige Gruppenmitglieder, die dagegen waren, dass Finn sie zur Gefährtin genommen hatte. Doch niemand wagte es mehr, es ihm ins Gesicht zu sagen, nachdem er sehr deutlich gemacht hatte, dass er mit Jamila das Lager verlassen würde, wenn sie von den anderen nicht akzeptiert wurde. Und es gab derzeit keinen anderen geeigneten Kandidaten für den Posten des Ratsführers.
Bowen neigte den Kopf. »Hallo Jamila. Nein, danke, ich werde gleich wieder nach Hause gehen, sobald ich weiß, dass alles in Ordnung ist.«
Finn kam in den Wohnraum zurück und seine Augen leuchteten warm auf, als er Jamila sah. Während er an ihr vorbeiging, strich er mit den Fingern über ihre nackte Schulter. »Warum gehst du nicht wieder zurück ins Bett? Ich komme in ein paar Minuten nach.«
Jamila wirkte, als wollte sie protestieren, aber dann nickte sie nur. »Ich hoffe, dass alles in Ordnung ist.« Freundlich lächelte sie Bowen zu, bevor sie die Treppe hinaufging und aus seinem Blickfeld verschwand. Als Bowen sich zu Finn umdrehte, erwischte er ihn dabei, wie er Jamila sehnsüchtig hinterherblickte.
Finn räusperte sich. »Dann rufe ich jetzt bei Isabel an, damit wir alle weiterschlafen können. Es ist bestimmt alles in Ordnung. Keira hätte mich benachrichtigt, wenn es ein Problem gäbe.« Ganz sicher wirkte er aber nicht. Es war niemandem verborgen geblieben, dass es seit einiger Zeit Spannungen zwischen Finn und seiner Schwester gab. Aber Bowen wusste, dass sie ihre Aufgabe als Wächterin sehr ernst nahm.
Er hielt den Atem an, während Finn Isabels Nummer wählte. Es musste ihr einfach gut gehen! Der Freiton war in dem stillen Raum gut zu hören und Bowen ballte seine Hände unter dem Tisch zu
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