Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
Isabel unterdrückte einen Seufzer und tauchte hinter Keira in den Wald ein.
Erst nach anderthalb Stunden, in denen sie querfeldein durch den Wald marschiert waren, sprach Keira wieder. »Hier beginnt unser Gebiet.«
Isabel sah sich um, nirgends war ein Zeichen zu sehen. »Es sieht genauso aus wie überall hier.«
Ein Lächeln huschte über Keiras Gesicht. »Das ist Sinn der Sache. Unser Lager liegt in der Mitte des Gebiets, sodass wir genug Zeit haben, uns auf mögliche Eindringlinge vorzubereiten.« Ihr Mund verzog sich. »Nicht, dass das immer hilft.«
Vermutlich meinte Keira damit Bowens Entführung und den anschließenden Überfall auf die Berglöwengruppe. Aber da Henry Stammheimer an dieser Sache beteiligt gewesen war, wollte Isabel nicht darüber reden. Eigentlich war es ein Wunder, dass Bowen überhaupt noch mit ihr sprach, denn sie musste ihn doch immer an die furchtbaren Tage in Gefangenschaft erinnern. Wie gerne hätte sie ihn in die Arme geschlossen und die Erinnerungen daran mit ihrer Liebe ausgelöscht. Aber dazu musste er sie näher an sich heranlassen, als er es bisher getan hatte. Und sie wusste nicht, ob er dazu bereit war.
In Gedanken versunken merkte sie es gar nicht, als sie eine halbe Stunde später an den ersten versteckt liegenden Hütten vorbeigingen. Hätte Keira nicht auf eine gedeutet, wäre sie Isabel überhaupt nicht aufgefallen. Staunend stand sie davor und starrte das in den Blättern kaum sichtbare Baumhaus an. »Lebt ihr alle in Baumhäusern?«
»Nein, viele der Hütten stehen auf dem Boden.« Keira warf ihr einen Seitenblick zu. »Auch die von Bowen und seiner Mutter Amira.«
Der Druck in Isabels Magen verstärkte sich bei der Vorstellung, gleich nicht nur Bowen, sondern auch dessen Mutter zu begegnen. Abrupt blieb sie stehen.
Keira drehte sich zu ihr um. »Was ist?«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.« Sie presste eine Hand auf ihren Magen und beugte sich vor.
Sanft legte Keira ihre Hand auf Isabels Schulter. »Bowen wird sich freuen, dich zu sehen, da bin ich mir sicher.«
»Wenigstens einer.« Isabel atmete tief ein, um die Übelkeit zu unterdrücken. Entmutigt ließ sie sich auf einen Baumstumpf sinken.
Keira hockte sich vor sie. »Du bist schon so weit gekommen, willst du jetzt wirklich aufgeben?«
Isabel blickte sie durch ihre Haare hindurch an. »Nein. Aber ich finde, Bowen könnte auch ein wenig dazu beitragen.«
Mit einem Nicken erhob Keira sich wieder. »Warte hier.«
Damit verwandelte sie sich und lief davon. Mit offenem Mund starrte Isabel ihr hinterher. Natürlich würde sie warten, denn sie wusste überhaupt nicht, wo sie war. Unruhig blickte sie um sich, aber hier in der Wildnis schien die Stille absolut zu sein. Nur die Kronen der Bäume bewegten sich leicht im Wind. Erst als ihr schwindelig wurde, blickte sie rasch wieder zu Boden.
Als sie Bowens Gefühle in ihrem Kopf spürte, richtete sie sich sofort auf. Zuerst wirkte er verwirrt, dann breitete sich ein solches Glück in ihm aus, dass sich ihre Angst etwas legte. Gebannt blickte sie in die Richtung, aus der sie ihn spürte. Schließlich schob sich ein Berglöwe durch das Gebüsch und blieb einige Schritte vor ihr stehen. Isabel hatte keinen Zweifel daran, dass es sich um Bowen handelte. Seine Gefühle waren so intensiv, als säße er direkt in ihrem Kopf. Sie hatte ihn damals in Henry Stammheimers Labor nur kurz in dieser Gestalt gesehen, deshalb genoss sie es jetzt umso mehr, ihn in seiner natürlichen Umgebung beobachten zu können. Kräftige Muskeln bewegten sich unter dem Fell, als er weiter auf sie zukam. Er presste seinen Kopf an ihren Bauch und sie schlang glücklich ihre Arme um ihn. Mit der Wange rieb sie über sein weiches Fell und genoss den wilden Geruch, der von ihm ausging.
Isabel lächelte, als sie sein Schnurren hörte. Eine Weile kraulte sie ihn hinter den Ohren, bevor sie sich schließlich widerstrebend von ihm löste. Seine Augen öffneten sich und sie versank in den goldenen Tiefen. Das Grün war in der Katzenform völlig verschwunden, aber sie konnte trotzdem Bowen erkennen. »Du bist wunderschön.«
Er blinzelte und leckte dann über ihre Hand. Seine raue Zunge kitzelte und sie zog rasch ihre Finger weg. Ohne Vorwarnung verwandelte Bowen sich und hockte schließlich nackt vor ihr. »Isabel.« Der Berglöwe war noch in seiner Stimme zu hören. Sein Blick glitt von Kopf bis Fuß über sie. »Geht es dir gut?«
Isabel nickte. Für einen Moment hatte sie ihre Stimme
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