Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
beauftragt beziehungsweise angestachelt hat. Oder was glaubst du, wieso Jennings nach über zwanzig Jahren plötzlich auf die Idee kam, dass seine Verlobte ihn wegen eines Berglöwenwandlers verlassen hatte und wo er den finden würde, um sich an ihm zu rächen?«
Bowen schwieg. Das hatte er sich tatsächlich noch nicht überlegt. »Und er hat auch Isabels Vater umgebracht?«
»Nicht er persönlich, dafür hatte er Edwards engagiert, der danach in Escondido versuchte, Kainda in seine Gewalt zu bringen.«
Die Leopardenwandlerin war auf der Suche nach einer Möglichkeit, wieder in ihre Heimat Afrika zurückzukommen, verfolgt und schwer verletzt worden, das wusste Bowen. »Bist du sicher, dass der Gleiche dahintersteckt?«
Harken hob eine Augenbraue. »Du glaubst, es gibt mehrere Hintermänner, die unabhängig voneinander versuchen, Wandler zu töten oder gefangen zu nehmen?«
Bowen musste zugeben, dass das unwahrscheinlich war. Aber es erklärte immer noch nicht, was der Verbrecher überhaupt von ihnen wollte.
»Auch derjenige, der vor ein paar Tagen versucht hat, Torik, seinen Vater und diese Autorin umzubringen, sprach von einem Auftraggeber.« Harken klang, als würde er über das Wetter reden, aber Bowen konnte sehen, wie ein Muskel in seiner Wange zuckte.
»Also denkst du, dass alles, was meiner Gruppe in letzter Zeit passiert ist, auf das Konto eines einzigen Mannes gehen könnte? Und wenn er tot ist, haben wir endlich wieder unsere Ruhe?«
»Ja, das ist meine Vermutung. Wenn ich ihn finde, werde ich ihn ausschalten. Hoffentlich können alle Wandler danach wieder in Ruhe leben, aber das hängt auch davon ab, wem er noch von unserer Existenz erzählt hat.« Kälte schwang in Harkens Stimme mit, als er davon sprach, den Verantwortlichen zu töten.
Bowen betrachtete ihn schweigend. Harkens Wangenknochen standen scharf hervor, seine Lippen waren fest zusammengepresst. Tiefe Wut sprach aus der verspannten Haltung seines Körpers. »Was hat er dir angetan?«
Blitzschnell schwang Harkens Kopf zu ihm herum. Er öffnete den Mund, schloss ihn dann aber sofort wieder. Abrupt wandte er sich wieder der Straße zu. »Nichts.« Es war beinahe ein Grollen.
So dicht hatte Bowen den sonst so ruhigen Mann noch nie vor der Wandlung gesehen. In was für ein Tier mochte er sich wohl verwandeln? Bisher war er nur dadurch aufgefallen, dass er sich unsichtbar machen konnte. Anscheinend war Harken jedenfalls ein furchtbar schlechter Lügner, denn nach seiner Reaktion war Bowen sicher, dass er schon einmal mit dem Verbrecher zu tun gehabt oder zumindest von seinen Taten betroffen gewesen war. Aber es war offensichtlich, dass Harken nicht darüber reden wollte.
Egal was es gewesen sein mochte, es bestärkte Bowen darin, dass er Isabel unbedingt so schnell wie möglich aus der Gewalt dieses Mistkerls befreien musste, der nach Harkens Meinung schon mehrfach bewiesen hatte, wie wenig ihm ein Wandler- oder auch ein Menschenleben bedeutete. Er war zwar noch kein Wächter, doch er würde alles tun, um Isabel zu retten, auch wenn es seinen eigenen Tod bedeuten könnte.
Isabel öffnete die Augen, als ihre Umgebung endlich aufhörte zu schwanken. Die Kiste wurde nicht gerade sanft auf festem Boden abgestellt und Isabel wartete mit angehaltenem Atem darauf, dass man sie endlich aus ihrem hölzernen Gefängnis befreite, doch nichts geschah. Inzwischen klebte ihr die Zunge am Gaumen, ihr Hals fühlte sich so trocken an, als wäre sie durch eine Wüste gefahren. Sollte sie hier elendig verdursten? Entschlossen schob sie den erschreckenden Gedanken beiseite. Es würde keinen Sinn ergeben, sie sterben zu lassen, nachdem sie extra hierher transportiert worden war. Wo auch immer »hier« war. Ein Schauder lief durch ihren Körper, als sie sich vorstellte, was die Verbrecher noch mit ihr vorhaben mochten.
Das klaustrophobische Gefühl wurde immer stärker, nur mit Mühe konnte sie ihre Atmung regulieren und sich davon abhalten, mit den Fäusten gegen das Holz zu schlagen. Sie durfte sich nicht zu sehr bewegen, um den wenigen Sauerstoff, der in die Kiste drang, nicht sinnlos aufzubrauchen. Isabel versuchte, über dem lauten Pochen ihres Herzens etwas zu hören, doch es drang kein Laut in ihr Gefängnis. Am schlimmsten war die Ungewissheit. Sie wusste nicht, was mit ihr passieren würde, deshalb konnte sie sich nicht darauf einstellen und sich einen Plan überlegen, wie sie vorgehen sollte, um am Leben zu bleiben und möglichst schnell zu
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