Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
entkommen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten und zu hoffen, dass ihr schnell genug etwas einfiel, wenn es so weit war.
Nach scheinbar unendlich langer Zeit hörte sie schließlich ein Kratzen an der Kiste. Bevor sie sich darauf einstellen konnte, hob sich schon der Deckel und sie blinzelte in die Helligkeit. Langsam richtete sie sich auf und erkannte, dass der Raum leer war. Verwirrt sah sie sich um. Wo war derjenige geblieben, der die Kiste geöffnet hatte? Rasch setzte sie sich auf und stöhnte, als sich ihre Muskeln schmerzhaft meldeten. Schwindel erfasste sie und sie musste sich am Rand abstützen, um nicht wieder zurückzufallen. Mühsam unterdrückte sie ihre Übelkeit und richtete sich langsam auf. Ihre Beine zitterten, als Isabel sich zuerst hinkniete und dann ein Bein über den Rand schwang. Es dauerte unglaublich lange, bis sie endlich neben der Kiste stand.
Isabel schlich zur Tür und drückte vorsichtig die Klinke herunter. Unwillkürlich hielt sie den Atem an und ließ ihn enttäuscht ausströmen, als sie feststellte, dass sich die Tür nicht öffnen ließ. Das wäre ja auch zu einfach gewesen. Anscheinend wollte also ihr Entführer nicht, dass sie sich frei im Haus – oder wo auch immer sie war – bewegte. Einen Moment lang lehnte sie sich an die Tür und schloss die Augen, bis der Schwindel ein wenig nachließ.
Erst jetzt sah sie sich im Raum um. Es schien sich um ein Gästezimmer zu handeln. Neben dem Bett gab es einen Schrank und eine Kommode, auch ein kleiner Schreibtisch mit dazugehörigem Stuhl fehlte nicht. Ein Clubsessel stand in einer Ecke neben einem runden Tisch, auf dem sich diverse Flaschen befanden. Ungläubig starrte Isabel die alkoholischen Getränke an. Als sie den Raum weiter erkundete, entdeckte sie eine versteckt liegende Tür, hinter der sich ein kleines Bad befand. Sie ging hinein und erschrak, als sie ihr Spiegelbild sah. Ihre langen, zerzausten Haare umgaben wild ihr viel zu blasses Gesicht, aus dem ihr gerötete Augen entgegenblickten, die von dunklen Ringen umgeben waren. Besonders beeindruckend war die bläulich schimmernde Beule an ihrer Stirn, die von eingetrocknetem Blut umgeben war. Mit den Fingern versuchte sie, ihre Haare zu ordnen, doch es war hoffnungslos. So schnell wie möglich wusch sie Gesicht und Hände und benutzte die Toilette, bevor sie wieder in den Hauptraum zurückkehrte.
Nach dem eher unbequemen Transport in der Kiste hatte sie erwartet, dass ihre Behandlung so weitergehen würde, doch auch wenn sie hier eingesperrt war, konnte sie es sich mehr oder weniger gemütlich machen. Neben dem Alkohol stand auch eine Wasserflasche auf dem Tisch, sodass sie endlich ihren Durst stillen konnte. Gierig trank sie die lauwarme Flüssigkeit und es war ihr beinahe egal, ob sie vielleicht mit einem Betäubungsmittel versetzt war. Isabel ließ sich auf die Bettkante sinken und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, damit sie ihre Flucht planen konnte.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Raum keine Fenster hatte, sondern nur Dachluken, durch die sie den dunklen Himmel sehen konnte. Also war es noch nachts und es war nicht so viel Zeit vergangen, wie es ihr vorgekommen war. Ein weiterer Blick auf den verschlossenen Ausgang ließ die Verzweiflung in ihr wieder aufsteigen. Von selbst würde sie nicht aus dem Raum entkommen können, sondern sie musste warten, bis jemand die Tür öffnete. Mit ihrer geringen Größe und ihrem eher schlanken Körperbau würde sie ihren Entführer kaum überwältigen können. Was blieb ihr sonst noch? Sie konnte entweder warten, bis jemand sie rettete, oder sich aus irgendetwas eine Waffe basteln. Da sie es noch nie ertragen hatte, längere Zeit herumzusitzen, sprang Isabel auf und machte sich sofort auf die Suche.
Eine halbe Stunde später ließ sie sich entmutigt wieder auf das Bett sinken. Das Einzige, was sie auch nur im Entferntesten als Waffe benutzen konnte, waren die Weinflaschen. Allerdings würde sie damit viel zu nah an den Verbrecher herankommen müssen und wäre somit einem Gegenangriff schutzlos ausgeliefert. Sie konnte zwar versuchen, die Flaschen zu werfen, aber damit richtete sie vermutlich nicht genug Schaden an. Und selbst wenn sie aus diesem Raum entkam, bedeutete das noch lange nicht, dass sie frei war. Da ihr Zimmer Dachluken hatte, musste sie davon ausgehen, dass es sich im obersten Stockwerk befand. Daher würde sie wohl ein ganzes Haus durchqueren müssen, um auf die Straße zu kommen. Wenn es
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