Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
jetzt ein für alle Mal geklärt?«
Stumm nickte Keira. Ihre Hände gruben sich in seinen Rücken und sie wünschte, sie könnte sich noch einmal für einen Moment an ihn lehnen, ohne dass etwas zwischen ihnen stand. Aber das konnte sie nicht, zumindest nicht, solange die Situation so verzwickt war.
»Okay, du willst also wissen, warum ich bereit bin, meine Männer der Gefahr auszusetzen, in die Stadt zu kommen.« Er löste sich von ihr und trat einen Schritt zurück. Sein Blick glitt an ihr vorbei in die Ferne, so als würde er etwas ganz anderes sehen. »Wir haben nichts mehr zu verlieren. Meine Gruppe besteht nur noch aus wenigen Männern und wir leben vor uns hin, in einem Gebiet, das für Wandler nicht geeignet ist. Eigentlich warten wir nur noch darauf, dass wir aussterben.«
Automatisch streckte Keira die Hand nach ihm aus, ließ sie dann aber wieder sinken. Er sah nicht so aus, als wollte er im Moment berührt werden. »Das kannst du nicht ernst meinen!«
Es lag eine so tiefe Trauer in Sawyers Augen, dass Keiras Kehle sich zusammenzog. »Todernst. Unsere Gruppe hat keine Zukunft. Alle Frauen und Kinder und die meisten der Männer sind tot.«
Jetzt legte sie doch ihre Hand auf seinen Arm. »Das tut mir leid. Was genau ist damals passiert?« Als sie die Qual in seinem Gesicht sah, hätte sie ihre Frage am liebsten zurückgezogen, aber sie musste wissen, was geschehen war.
Die Muskeln an seinem Arm waren zum Zerreißen gespannt, der Atem drang rau aus seiner Kehle. Zuerst dachte Keira, dass er ihr nicht antworten würde, doch dann begann er zu reden. »Vor zwei Jahren kamen bewaffnete Männer mit Hunden in unser Gebiet. Wir versuchten zu fliehen, aber sie legten Feuer hinter uns, sodass wir zwischen den Flammen und den Menschen gefangen waren. Schließlich blieb uns nur die Möglichkeit, die Männer anzugreifen, um für den Rest der Gruppe eine Bresche zu schlagen, durch die sie entkommen konnten.« Sawyers raue Stimme verstummte und er schluckte mehrmals hart. »Es hat nicht funktioniert. Sie haben auf uns geschossen.«
»Oh nein!« Keira rieb tröstend über seinen Arm. »Wie bist du entkommen?«
»Das bin ich nicht.« Der Ausdruck in seinen sonst so warmen Augen wirkte beinahe tot.
Keiras Herz zog sich vor Mitgefühl zusammen. »Du bist doch hier.«
Sawyer schwieg so lange, dass sie schon befürchtete, er würde nicht weiterreden. Schließlich rieb er mit einer zitternden Hand über sein Gesicht und sah sie direkt an. »Ich wäre für meine Gruppe gestorben, stattdessen wurde ich von einem herabfallenden brennenden Ast getroffen und verlor das Bewusstsein.« Sein Mund verzog sich. »Wahrscheinlich hielten mich die Menschen für tot, jedenfalls ließen sie mich dort liegen. Ein paar meiner Männer haben überlebt und mich zu einem sicheren Versteck mitgeschleppt. Alle anderen sind in dem Feuer oder im Kugelhagel der Menschen gestorben.«
Sanft strich Keira über seine vernarbte Wange. »Die Narben hast du also vom Feuer? Warum haben deine Selbstheilungskräfte nicht gewirkt?«
Sawyer stieß ein freudloses Lachen aus. »Das haben sie. Du hättest mich vorher sehen sollen.«
Die Vorstellung, wie sehr er gelitten haben musste, ließ sie wünschen, diese elenden Verbrecher vor sich zu haben, um sie der Reihe nach umbringen zu können. Er schien ihre Gedanken zu ahnen, denn seine Miene wurde sanfter und er rieb seine Wange gegen ihre Hand. »Ich habe mir damals gewünscht, ich wäre mit den anderen gestorben, aber ich musste dafür sorgen, dass diejenigen, die noch lebten, einen neuen Platz zum Leben bekamen.« Tief atmete er durch. »Wir entschieden uns für einen Ort, an dem nichts brennen konnte.«
Das konnte sie nachvollziehen. »Hast du Familie?«
Schmerz zuckte über Sawyers Gesicht. »Nicht mehr. Wir sind einige Tage nach dem Überfall noch einmal dorthin gegangen, um unsere Toten zu begraben, aber das Feuer hatte alles zerstört. Es waren nur noch ein paar Knochen übrig.« Seine Stimme versagte und er wandte sich von ihr ab.
Keira zögerte, bevor sie sich hinter ihn stellte und seine Taille mit den Armen umfing. Ihre Wange legte sie gegen seinen Rücken. »Es tut mir so leid.« Sie konnte seine heftigen Atemzüge fühlen und das Zucken seiner Muskeln unter dem T-Shirt. Beruhigend rieb sie über seinen Bauch und spürte, wie er sich ein wenig entspannte.
Schließlich blies er hart den Atem aus. »Ich habe dir das nicht erzählt, damit du mich bemitleidest, Keira.«
»Das weiß ich. Aber
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