Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
mich wieder einiges gerade. Beim Betrachten fiel ein Großteil meiner Anspannung von mir ab, weil ich mir klarmachte, warum ich in diesen letzten Wochen wie ein kopfloses Huhn herumgerannt war. Vater zu sein, war eine Freude und ein Privileg, auch wenn es verdammt anstrengend war.
Als wir endlich ausgepackt und uns in unserem Hotel eingerichtet hatten, fühlte ich mich zerschlagen, aber erfüllt. Wir hatten es schließlich geschafft, was eine große Leistung war. Die Jungs konnten es natürlich kaum erwarten loszuziehen, und ich wusste, dass ich, egal wie müde ich war, die Dinge, so gut ich konnte, am Laufen halten musste, ganz im Geiste von Kate.
»Wann gehen wir im Meer schnorcheln?«, wollte Finn wissen.
Er sprang vor Aufregung auf der Stelle auf und ab.
»Sobald du im Swimmingpool ordentlich trainiert hast, Diddy«, antwortete ich. »Oder soll ich dich lieber Tigger nennen?«
»Wann sehen wir die Pyramiden?«, fragte Reef. Und wollte gleich darauf wissen, ob es auch eine Mumie zu sehen geben würde. Natürlich fragte er das – wie alles andere – in unserer Muttersprache: »Will we see a mummy?«
»Nein, Dummerchen, Mummy ist nicht hier«, sagte Finn, ohne absichtlich einen Scherz machen zu wollen.
Reef lacht lauthals los. »Ich meine doch eine ägyptische Mumie, eine, die in Bandagen gewickelt ist!«, brüllte er.
Ich musste einfach lachen, entweder das, oder ich hätte verzweifelt losgeheult.
Es vergingen ein paar Urlaubstage, bis wir endlich so weit waren, ins Rote Meer zu unserer lang erwarteten Schnorchelexpedition am Riff einzutauchen. Zum Glück war die Haihysterie vorüber. Da das Badeverbot aufgehoben worden war, stand uns nichts mehr im Weg, und ich wollte mir unser Vorhaben auch von keinem trüben Gedanken verleiden lassen.
»Genieß es«, sagte ich mir. »Genieße den Augenblick, wiederholen kannst du ihn nicht.«
Mein Bruder Matt bot an, mitzukommen und mir zu helfen, da ich beschlossen hatte, mit dem Taxi zu einem wunderschönen Naturreservat zu fahren, das ein Stück entfernt lag. Reef und Finn gaben unserem Taxifahrer den Spitznamen »Mario«, nach ihrer Lieblingsfigur Mario Kart in ihren DS-Spielen, und wir hatten alle unseren Spaß, als wir über die heiße Wüstenstraße fuhren. Unterwegs kamen wir am Dreams Beach vorbei, wo Kate und ich zusammen mit den Jungs gewohnt hatten, als diese noch ganz klein und wir das erste Mal in Ägypten waren. Auch das war über die Weihnachtstage gewesen, daher hätte ich sie gern gefragt: »Seht mal, erinnert ihr euch?«, ließ es aber sein, weil ich der Einzige von uns war, der sich noch daran erinnern konnte.
Stattdessen dachte ich an das Lieblingsmotto von mir und Kate: »Wenn du nichts riskierst, bist du fehl am Platz«, und verwendete all meine Energie darauf, die Adrenalinpumpe der Jungs in Schwung zu halten, während wir uns dem Naturreservat näherten. Ich erzählte ihnen, welche verschiedenen Fische sie womöglich zu sehen bekamen, und bat sie, nach dem lustigen Clownsfisch Ausschau zu halten, den Mummy so gern geärgert hatte.
»Euch wird Hören und Sehen vergehen!«, versprach ich ihnen. »Ihr werdet euren Augen nicht trauen! Und nun ab ins Abenteuer!«
Die ohnehin schon aufgeregten Jungs steigerten sich in ihre Vorfreude hinein, woraufhin ich meine Anstrengungen verdoppelte, dieses Erlebnis für sie unvergesslich zu machen.
Ich lächelte, musste aber zugleich tief Luft holen, als ich den Jungs half, ihre Neoprenanzüge, Masken und Schnorchel anzulegen. Normalerweise wäre dies Kates Aufgabe gewesen, während ich fotografiert hätte, um den begeisterten Ausdruck auf ihren Gesichtern festzuhalten. Jetzt oblagen beide Aufgaben mir, entsprechend kam ich mir vor wie ein Ein-Mann-Fließband, als ich die Jungs ausstaffierte und für ein Foto in Szene setzte. »Ich wusste gar nicht, dass dir Multitasking liegt«, frotzelte Kate. Ihre Stimme kam von so weit, dass sie in meinem Kopf geradezu gespenstisch klang.
Ich schaute hoch in den Himmel. Er war blau, so weit das Auge reichte. Sollte sie auf einer Wolke sitzen, dann war sie jetzt nicht hier. Kein noch so kleines Wölkchen war zu sehen. Kate war nicht mehr da, also würde ich diesen Augenblick mit den Jungs ohne sie genießen, aber in ihrem Andenken. Ich war sehr froh, dass Matt mitgekommen war. Er war mir eine große moralische Stütze, zudem willigte er ein, mit Reef auf seinem Rücken zu schnorcheln, während ich Finn huckepack nahm, weil die Haiattacken noch viel zu frisch waren,
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