Gib dich hin (German Edition)
damit der Kerl sie nicht sah. Aber dafür war es vermutlich schon zu spät.
»Ist alles in Ordnung?«, hörte sie die Stimme ihres Bruders.
Der Mann wandte sich ihm wieder zu. »Ja, ich war nur einen Moment abgelenkt.«
Wer immer das auch war, sie hoffte nur, dass er Nick nicht in Schwierigkeiten brachte. Irgendwie wurde ihr dieser Mann immer unheimlicher. Sie versuchte sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren und war heilfroh, als der Fremde Nicks Büro endlich verließ.
»Einen schönen Abend noch«, sagte er zu ihr und lächelte sie an.
Cynthia nickte nur und umklammerte den Stiel ihres Wischmopps. Erst als sie das erlösende Bimmeln der Glöckchen vernahm, atmete sie auf. Nick stand grinsend da und wirkte äußerst zufrieden.
»Wer war das?«, fragte sie aufgeregt. Bei ihr hatten nicht nur Türglöckchen gebimmelt, sondern auch alle Alarmglocken geschrillt.
»Nur ein Geschäftspartner.«
»Ich kenne deine Geschäftspartner, Nick, und der Herr gehört nicht dazu.«
Ganz sicher war einer wie der nicht im Tierfuttergeschäft. Wahrscheinlich arbeitete er für eine Kreditfirma. Ihr Bruder steckte in finanziellen Schwierigkeiten, schrieb mehr rote als schwarze Zahlen. Das war ein offenes Geheimnis. Er hatte sogar Schulden machen müssen.
»Unser Kontakt besteht auch noch nicht lange. Aber er entwickelt sich sehr vielversprechend.« Nick schien diesen Mann für völlig harmlos zu halten. Wie merkwürdig, dass sie seinen »Geschäftspartner« so gänzlich anders wahrnahm. Sein Blick hatte ihr eine Gänsehaut bereitet. Sie wusste, dass es albern klang, dennoch hatte sie es so empfunden, als läge etwas »Böses« in seinen Augen.
»Herr Mandrake ist sehr freundlich und zuvorkommend, durch ihn werde ich ein paar meiner Sorgen los.«
Also hatte sie doch recht! Es ging um einen Kredit. Sie musste Nick irgendwie klarmachen, dass es ein Fehler war, sich mit Kredithaien einzulassen.
»Du weißt, wie so etwas endet, Nick, lass dich bloß nicht auf irgendwelche krummen Touren ein.«
Er lachte plötzlich, und Cynthia fühlte sich nicht von ihm ernst genommen. »Ach, Schwesterherz, mach dir keine Sorgen. Ich weiß, was ich tue.«
Daran hatte sie allerdings erhebliche Zweifel. Auch wenn Nick der Ältere war, er war schon immer der Unvernünftigere von ihnen beiden gewesen. Ihr Vater hatte seinetwegen sehr früh graue Haare bekommen.
»Ich will nur nicht, dass du dich in Schwierigkeiten bringst.«
»Das werde ich nicht.«
Sein Wort in Gottes Ohr! An diesem Abend ging sie mit einem unguten Gefühl nach Hause.
Kapitel 4
Menschen streben nach Glück. Macht, Ruhm, Geld. Das ist es, was sie antreibt. Zauberworte, mit denen man sie für das Dunkle gewinnt. Besonders dann, wenn sie ihr Ziel nicht erreichen können, unzufrieden mit sich und ihrem Leben sind, weil ihnen etwas im Wege steht, das sie aufhält oder zum Stolpern bringt. Hier griff das Geschäftsmodell Lady Ovidas und ihrer Agentur Hell Express, in deren Auftrag er seit mittlerweile 217 Jahren arbeitete. Ihr Anliegen war es, unglückliche Menschen glücklich zu machen. Und das für einen kleinen Preis. Wenn das nicht nach einem guten Geschäft klang?
Nick Guthan war keiner dieser machthungrigen Kerle. Ihm fehlte die düstere Aura. Doch er hatte eine ganz andere Schwachstelle. Und diese Schwachstelle waren Frauen. Er würde alles tun, um eine von ihnen ins Bett zu bekommen. Koste es, was es wolle. Somit gehörte er zu der zweiten Kategorie von Kunden, die seltener, aber deshalb nicht unin teressanter waren. Sie handelten aus sexueller Lust beziehungsweise, wie in Nicks Fall, aus sexuellem Frust.
Mandrake hätte ihn überzeugen müssen, den Vertrag gleich vor Ort zu unterschreiben. Aber er war abgelenkt gewesen und war es noch immer. Schuld daran war die Schwester seines neuen Klienten, die etwas umgab, das er nur als magisch bezeichnen konnte. In all den Jahren, in denen er mit den Menschen Geschäfte machte, hatte er nie eine solch helle Aura an einem von ihnen bemerkt. Bis auf den heutigen Tag.
Mandrake hatte im Verborgenen auf die Frau gewartet. Sie, die so viel interessanter für ihn war als jede zuvor. Endlich verließ sie das kleine Geschäft. Einem Schatten gleich folgte er ihr durch die nächtlichen Straßen. Er musste wissen, wo sie wohnte, mehr über sie erfahren. Seit er sie gesehen hatte, ließ sie ihn nicht mehr los. In den Augen der meisten Menschen mochte die zierliche Frau
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