Gib dich hin (German Edition)
unschlagbar. Der Mann strich zärtlich über die Schulter der Frau, die schmachtend zu ihm hochblickte. Cynthia konnte sich gut vorstellen, dass sie sehr von ihm angetan war. Er hingegen wirkte vor allem professionell. Seine Hand glitt tiefer, über ihren Arm, umfasste dann ihre Taille. Cynthia bekam eine Gänsehaut bei dem Anblick und erinnerte sich an Mandrakes zärtliche Berührungen. Für einen Moment schien nicht nur das weibliche Model, sondern auch Cynthia alles um sich herum zu vergessen.
»Komm, wir sehen uns die Resultate auf dem Computer an«, riss Tom sie aus ihren Gedanken und zog sie mit sich.
Das Ergebnis war äußerst zufriedenstellend. »Ich glaube, mit den Photos habe ich eine echte Chance, die Konkurrenz auszustechen.« Damit meinte sie ihre Kollegen, die ebenso an ihren Konzepten arbeiteten. Das letzte Wort lag natürlich bei der Firma selbst. Aber Cynthia war guter Dinge, dass sie den Auftrag bekam.
»Vielleicht hier noch etwas mehr Licht«, schlug Tom vor und deutete auf die rechte obere Ecke im Bild.
»Um auf deine Frage zurückzukommen. Wie gesagt, ich habe einfach sehr viel zu tun, und daher klappt das auch nicht mit unserer Verabredung. Und ich weiß auch nicht, wann ich mal wieder Zeit für ein ungezwungenes Treffen habe«, erklärte sie, und Tom musste sich gezwungenermaßen damit zufriedengeben. Das Vibrieren in ihrer Hosentasche kam da gerade recht. Ihr Display zeigte Annas Nummer. Die schien ganz aufgelöst und bat Cynthia um ein Treffen in der Mittagspause.
»In Ordnung, beim Inder. In zwanzig Minuten. Ja … genau … ich weiß, wo der ist. Bis gleich, Süße.« Cynthia beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder in die Hosentasche.
»Sieht so aus, als könnte ich dich nicht mal zum Essen entführen«, sagte Tom enttäuscht.
»Ja, tut mir leid, das ist ein Notfall.« Annas Stimme hatte heiser geklungen, so als hätte sie kurz zuvor geweint. Cynthia machte sich große Sorgen um ihre Freundin.
Wie verabredet, traf Cynthia zwanzig Minuten später bei Annas Lieblingsinder ein. Die Freundin war bereits da und saß ganz verheult an einem Tisch in der Nähe des Fensters. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und schnäuzte in ihr Taschentuch. Als sie Cynthia entdeckte, hob sie die Hand und winkte sie zu sich.
»He, Süße, was ist denn nur passiert?«, wollte Cynthia wissen und umarmte Anna, die, obwohl sie sonst um einiges größer als Cynthia war, plötzlich geradezu zerbrechlich wirkte.
»Gregor … er … er hat mich betrogen.«
»Was?« Auf den Schreck musste Cynthia sich setzen. Der Kellner brachte ihr die Karte, verschwand dann aber sogleich
wieder.
»Wie … woher … weißt du das?«
Gregor war Annas große Liebe. Sie hatten sich in der Oberschule kennengelernt und waren seitdem ein Herz und eine Seele. Ihre Beziehung war in den letzten zwölf Jahren durch alle Höhen und Tiefen gegangen, die man sich nur vorstellen konnte. Dennoch war eins für Cynthia immer klar gewesen: Die beiden würden ein Leben lang zusammenbleiben, denn sie waren füreinander geschaffen. Bis eben hatte sie das zumindest geglaubt.
»Er hat es mir gestanden. Das Wochenende, an dem wir gefeiert haben. Erinnerst du dich? Mein Geburtstag. Da ist es passiert, auf der Geschäftsreise. Mit seiner Kollegin.«
Autsch, das war wirklich hart. Auch noch an Annas Geburtstag. Sie war über alle Maßen von Gregor enttäuscht.
»Angeblich hat ihn das schlechte Gewissen gequält«, sagte Anna und strich sich über den Bauch. Da fiel Cynthia ein, dass die beiden ja noch weit mehr verband als nur eine wunderbare romantische Beziehung. Anna erwartete ein Kind von Gregor. Sie konnte sich vorstellen, dass die Freundin in dieser schwierigen Situation kaum wusste, wie es weitergehen sollte.
»Es tut mir so leid, Anna.«
Das hatte sie nicht verdient. Sie war einer jener Menschen, die sich für andere einsetzten, sich stark machten. Sie war immer für Cynthia da gewesen. Ohne Anna wäre sie nie an Hubert Graun rangekommen. Und auch Tom hätte sie niemals kennengelernt, was nachträglich zwar ein zweifelhaftes Vergnügen gewesen war, aber dafür konnte Anna nichts. Es tat weh, sie nun so leiden zu sehen.
»Ich werde mich trennen«, entschied sie plötzlich, und ihr Gesichtsausdruck war steinern, so als hätte sie jegliche Emotionen aus ihrem Leben verbannt. Wahrscheinlich war es eine Schutzreaktion.
Cynthia wusste nicht, was sie dazu sagen
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