Gib dich hin (German Edition)
es war zu spät. Er schlug hart auf.
Plötzlich befand er sich in einem dunklen Raum. Die Wände und der Untergrund waren so schwarz wie flüssiges Pech. Und er spürte eine Präsenz, die dunkel und sehr mächtig war. Langsam richtete er sich auf. Sein Rücken schmerzte. Er blickte auf seine Hände. Statt der grauen Haut und den riesigen Klauen sah er dort die weißen Finger jenes Jünglings, in den er sich verwandelte, wenn er unter den Menschen war. Lady Ovida bevorzugte diese Gestalt. Sie fand sie sinnlicher.
Verwirrt sah er sich um. Vor dem riesigen Panoramafens ter stand ein dunkler Schreibtisch und an dem saß eine vertraute Gestalt. Ihr strenger Blick schlug ihm entgegen.
»Guten Abend, Mandrake«, zischelte sie wie eine Schlange. Ihre Haare waren in einem Knoten an ihrem Hinterkopf zusammengefasst. Sie trug einen Hosenanzug, in dem sie wie eine Managerin aussah. Eine perfekte Tarnung. Zumal sich das Hauptquartier der Agentur im obersten Stockwerk eines Bürokomplexes im Zentrum Berlins befand. Niemand ahnte, was hier oben vor sich ging, dass der Hell Express nicht das Exportunternehmen war, als das er sich nach außen hin ausgab. Die Angestellten des Express waren in der Regel dämonischen Ursprungs. Gewiefte Agenten, die im Namen Ovidas so viele Seelen wie irgend möglich für IHN einsammelten. IHN, den großen Boss, den Obersten von allen. Und das Konzept funktionierte. Es war erstaunlich, wofür Menschen bereit waren, ihr kostbarstes Gut zu verscherbeln.
Mandrake nahm vor ihr Platz, schlug die Beine übereinander und klopfte sich penibel den Schmutz von der Hose. »Guten Abend. Was verschafft mir die Ehre?«
Ovida zog ein Dokument aus ihrer Schreibtischschublade und hielt es ihm unter die Nase. »Das ist eine Beschwerde, mein Lieber, von einer Mitarbeiterin, mit der du dich eigentlich bisher recht gut verstanden hast.«
O nein, doch nicht Maddy, dachte er.
»Ich will wissen, was dort vorgefallen ist«, forderte Ovida.
»Und ich will gern wissen, was sie mir überhaupt vorwirft.«
»Beleidigung, Bedrohung. So etwas dulde ich nicht in meiner Agentur.«
Er seufzte lange und gedehnt. »Ich habe die Sukkuba nur in ihre Schranken gewiesen. Die Kleine soll unseren Kunden mit ihren Reizen beglücken und nicht ihren eigenen Sexhunger bei anderen stillen. Wenn der Kunde das merkt, kann er uns zu Recht des Vertragsbruchs bezichtigen.«
Ovida nahm die Brille ab und kaute nachdenklich auf dem Ende des linken Bügels herum.
»Wir haben einen Ruf zu verlieren. Wer mit uns Geschäfte macht, soll auch das bekommen, was er sich gewünscht hat.«
Ovida nickte zu seiner Erleichterung zustimmend. »Nun gut, ich kann die Sache also als erledigt betrachten.« Sie knüllte das Papier zusammen und warf es in den Papierkorb.
»Wunderbar, dann ist ja alles geklärt«, sagte er und klatschte in die Hände. Bereit zu gehen. In seinen Lenden brannte es unerträglich, und er wollte endlich zu Cynthia, ihren Körper spüren, berühren, sich mit ihr vereinen. Er war gerade aufgestanden, um das Büro zu verlassen, da räusperte sich Ovida. »Setz dich bitte. Da ist noch etwas, das ich mit dir besprechen möchte.«
Nur widerwillig setzte er sich wieder hin. Erneut schlug er ein Bein über das andere, um die riesige Erektion zu verbergen, die der bloße Gedanke an das Mädchen hervorgerufen hatte.
»Was hat es mit dieser jungen Frau auf sich? Ich glaube, sie ist die Schwester unseres Klienten.« Ovida setzte die Brille wieder auf, blätterte in ihren Unterlagen und nickte schließlich. »Cynthia Guthan, das ist der Name.«
Als Ovida ihren Namen aussprach, blieb Mandrakes Herz für einige qualvolle Sekunden stehen, ehe es mit einem gewaltigen, schmerzhaften Schlag wieder einsetzte und ihn damit fast vom Stuhl warf. Woher wusste Ovida von dem Mädchen? Seine Finger krallten sich in die Lehne. Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut! Aber vielleicht ahnte sie noch nicht, dass Cynthia besonders, eben anders war. Vielleicht ließ sich alles noch zum Guten lenken. Sie gehörte ihm, ihm allein! Und er würde sie nicht teilen. Nicht einmal mit Ovida.
»Ich habe keine Ahnung, was mit ihr sein soll«, erwiderte er schnell – zu schnell. Ovida blickte ihn über die Brillengläser hinweg an. »Ach, nein?«
»Nein«, bestärkte er und hoffte, dass er nicht gerade alles vermasselte. Die Dämonin war sehr mächtig. Ihr etwas vorzumachen war töricht. Sie konnte in
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