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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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waren die Aufnahmen schnell gemacht, und schließlich schälte sich Pauline mit Ninas Hilfe aus ihrem letzten Kostüm, in dem sie wie ein Reitpony ausgesehen hatte. Glücklicherweise schien der einschlägig interessierte Fetischist auch hierzu eine Maske zu tragen.
    »Sieht super aus, als hättest du nie etwas anderes getan.« David stand am Computer und winkte sie herbei. »Sieh selbst!«
    Pauline musste ihm recht geben. Obwohl sie keine Modelfigur im eigentlichen Sinn hatte, dafür war sie zu kurvig, erkannte sie sich auf dem Bild, das er mit ein paar geschickten Klicks bearbeitet hatte, kaum wieder. Sie wirkte ausgesprochen selbstbewusst und sexy. Und so hatte sie sich in den unterschiedlichen Outfits überraschenderweise auch gefühlt, sobald die erste Verlegenheit verflogen war.
    »Solche Masken würde ich nie im Leben freiwillig tragen, aber einige Kostüme sehen besser aus, als ich gedacht hätte. Kann ich davon einen Abzug haben?« Sie zeigte auf den Bildschirm.
    David zögerte kurz. »Ja klar, aber lass es vorerst niemanden sehen, okay? Die Konkurrenz ist gnadenlos.«
    »Hältst du mich für verrückt? So was zeig ich doch nicht rum!«
    »Ich will es sehen«, riefen Janice und Henriette wie aus einem Mund, als Pauline ihnen davon erzählte. Übermütig riss Janice ihr die Tasche von der Schulter und wühlte darin. »Ich wette, er hat dir einen Ausdruck gemacht. Komm schon!«
    »Hört auf damit, ich habe für so was keine Zeit. Ich muss mich noch umziehen. Nach Soho braucht die U-Bahn mindestens eine halbe Stunde, und an den Rolltreppen wird auch noch gearbeitet.« Sie mochte es überhaupt nicht, wenn Janice so überdreht war.
    »Ach lass doch. Siehst du nicht, dass sie Lampenfieber hat?«, versuchte Henry wenig diplomatisch abzulenken.
    »Na, meinetwegen«, sagte Janice und gab die Tasche zurück. Der übermütige Ausdruck war aus ihrem Gesicht verschwunden.
    »Ihr kriegt es schon noch zu sehen.« Pauline wusste, dass sich Janice in den nächsten Tagen in ihr Zimmer schleichen und nach dem Foto suchen würde. Zum Glück befand es sich aber nur auf ihrem Handy, und das gab sie selten aus der Hand.
    Ich bin nicht aufgeregt , sagte sie sich wenig später, als sie in der überfüllten Central Line auf dem Weg nach Soho saß. Es stimmte zwar nicht, aber der Satz war zu einem Mantra geworden, seit sie am Montag auf Constantins Mailbox gesprochen hatte. Jetzt ertappte sie sich dabei, wie sie sich im Rhythmus der Worte wiegte.
    Ich – bin – nicht – auf-ge-regt!
    An der Station Oxford Circus musste Pauline aussteigen. Erst als sie schon fast das Ende der Rolltreppe erreicht hatte, bemerkte sie die seltsamen Blicke, die ihr einige Leute zuwarfen. Außerdem hatte sie eine Menge Platz um sich herum, obwohl die Rushhour noch nicht vorüber war.
    O Gott! Führe ich etwa Selbstgespräche? Mit geradem Rücken, die Augen nach vorn gerichtet, trat sie auf die Straße und eilte an den dicht an dicht gedrängten Geschäften vorbei. Die Luft war eisig. Schneeflocken tanzten im Licht von Schaufenstern und Autoscheinwerfern. Natürlich blieb der Schnee nicht liegen, das tat er in London fast nie. Und falls es doch einmal kalt genug dafür war, brach garantiert der gesamte Verkehr zusammen. Sie hatte das vor zwei Jahren erlebt, und es war nicht lustig gewesen.
    Die Haare unter einer Mütze, das Gesicht hinter einem dicken Schal verborgen, frierend in ihrer dünnen Lederjacke und mit einem Wollrock, der handbreit über den flachen Stiefeln endete, war sie nicht eben ein Ausbund an Eleganz. Vielleicht sollte ich doch einfach nur das Geld an der Rezeption abgeben und gleich wieder verschwinden , dachte sie. Vorsichtshalber hatte sie es in einen Umschlag gesteckt, der sich nun zusammen mit dem kuscheligen Pulli und der Unterwäsche in einer Tüte befand, die sie hier in der belebten Oxford Street noch fester unter den Arm geklemmt hielt. Mit so viel Bargeld ging sie normalerweise nicht durch die Stadt.
    Ein paar Minuten später bog Pauline in die Dean Street, eilte an Pubs und kleinen Geschäften vorbei bis zum Soho Theatre und hätte fast die Gasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite übersehen, die zu dem Hotel führte. Ein Luxushotel stellte sie sich anders vor. Dieses ähnelte eher einem dieser alten Fabrikgebäude aus rotem Backstein mit den für die Bauzeit typischen deckenhohen Sprossenfenstern. Am Eingang stand immerhin ein livrierter Portier, der Pauline freundlich »Guten Abend, Madam« wünschte. Als die

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