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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Melone kommen, die ich verdrückt habe«, sagte sie augenzwinkernd.
    Und dieses aufgeregte Summen in ihrem Körper wurde im Laufe des Tages stärker. Als sie um fünf Uhr zusammen mit Henry das Theater betrat, wäre sie am liebsten umgekehrt und davongelaufen.
    Irgendwohin. Nur weg.
    Aber sie sagte nichts, weil jedes Wort die Sache nur noch schlimmer gemacht hätte. Henry wusste ohnehin, wie es um sie bestellt war, schließlich kannten sie sich lange genug und waren auch schon mehr als einmal gemeinsam aufgetreten.
    Carmen hatte in den letzten Tagen jedem, der es wollte, und wahrscheinlich auch all denjenigen, die es nicht wollten, ein selbst gezeichnetes Engelkärtchen überreicht, das für gutes Karma während der Aufführungen sorgen sollte. Pauline hatte sich bisher erfolgreich davor gedrückt, eines entgegenzunehmen, aber nun steckte die selbstgebastelte Glücksbotschaft auch hinter ihrem Spiegel.
    »Nimm das weg!«, sagte sie so bestimmt, dass Henry zusammenzuckte.
    »Du glaubst doch nicht etwa an den Spuk?« Dennoch zog ihre Freundin die Karte heraus und steckte sie ein.
    »Nein!« Jedenfalls nicht an diesen abergläubischen Zauber. Die Leute konnten tun, was sie wollten, solange sie Pauline damit nicht behelligten. Ihre Mondkette allerdings hätte sie heute auch dann nicht abgenommen, wenn es ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Seltsamerweise fühlte sie sich mit Constantins bindendem Versprechen , wie er die Kette genannt hatte, so sicher, als wäre er es selbst, der seine Hände schützend um ihre Taille legte.
    Nachdem sie ihre Stimme vorbereitet hatte, klopfte es, und Maria, die Maskenbildnerin, sah herein. »Sind Sie bereit, mich zu empfangen?«
    Wie sich das anhört! Als wäre ich ein echter Star.
    In ihrer eigenen Garderobe zu sitzen war ein gutes Gefühl. Pauline genoss es außerordentlich, nicht in einem der Gruppenräume zu hocken, in der meist eine heitere Nervosität herrschte, die einerseits angenehm war, ihr aber andererseits immer Probleme bereitet hatte, sich zu konzentrieren.
    Natürlich war sie bereit . Während sie geschminkt wurde, hielt sie die Augen geschlossen und ging ihren Part noch einmal durch. Im Grunde war die Partie der Micaëla eine kleine Rolle. Das hieß aber keinesfalls, dass es nicht unendlich viele Fehlerquellen darin gab. Um ihre Stimme machte sie sich keine Sorge. Selbst wenn jemand sie nachts aufweckte und sie aufs Stichwort irgendwo in ihrer Arie hätte einsetzen müssen, wäre ihr das gelungen. Doch von ihrem schauspielerischen Talent war Pauline weniger überzeugt, trotz der Versicherungen des Regisseurs, sie habe alles bestens im Griff.
    Spätestens morgen werde ich wissen, wie ich war, dachte sie mit einer Spur von Galgenhumor. Und in der kommenden Woche würde sie sich sogar mit eigenen Augen überzeugen können, denn dann sollte die gesamte Aufführung fürs Fernsehen aufgezeichnet werden.
    »Ich denke, so kann man sie auf die Bühne lassen. Was meinst du, Henry?«, fragte die Maskenbildnerin.
    Pauline öffnete die Augen und blickte einer Fremden ins Gesicht. »Maria, du hast dich wirklich selbst übertroffen!« Sie lehnte sich vor, um die Veränderungen genauer in Augenschein zu nehmen.
    »Danke!« Maria strahlte. Sie war eine Weile krank gewesen, deshalb hatte Pauline bisher nicht die von ihr in mühevoller Handarbeit geknüpfte Originalperücke tragen können, aber nun sah sie einer zarten Blondine ins Gesicht, die kaum älter als sechzehn oder siebzehn zu sein schien.
    »Wahnsinn!« Henry war ebenfalls sichtlich beeindruckt. Sie schob einen fahrbaren Kleiderständer herbei, der mit Paulines Namen versehen war.
    »Schuhe, Strümpfe, Unterrock …!« Henry, die sich schwer ins Zeug gelegt hatte, um ihre Ankleiderin sein zu dürfen, zählte die Accessoires durch. »Alles da. Es kann losgehen.«
    »Ich würde jetzt gern auf einer einsamen Insel sitzen.« Pauline atmete tief durch, stand auf und streckte sich. »Gehen wir es an!« Sie öffnete ihren Morgenmantel, den sie beim Schminken getragen hatte, und nahm die Strümpfe entgegen, als die Lautsprecher knackten.
    »Es sind noch fünfzehn Minuten bis zum Aufführungsbeginn. Ich bitte die Damen und Herren von der Technik, jetzt ihre Plätze einzunehmen. Achtung. Die Aufführung beginnt in fünfzehn Minuten.«
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte Henry.
    Pauline schloss die Haken, die ihre weißen Unterröcke mit dem blauen Rock verbanden, legte anschließend den BH beiseite, zog ihre Bluse an und nahm das Korsett

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