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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Energiebündel und schien erst vor Publikum zur Hochform aufzulaufen.
    »Artemis möge es mir verzeihen, aber Pauline gleicht einer Göttin!«, sagte Nicholas leise und beugte sich vor, als sie die Bühne betrat.
    Den Zeigefinger auf die Lippen gelegt, drehte sich Constantin nach ihm um – er wollte keinesfalls auch nur einen Ton ihres Gesangs verpassen. Sie sah zauberhaft aus. Jung und zerbrechlich, eine Spur furchtsam, was, wie er wusste, der Rolle geschuldet war, denn seine Pauline war mutig und zu allem entschlossen, wenn es um die Kunst und um die Liebe ging.
    An den blonden Zopf, der ihr lang über die rechte Schulter fiel, musste er sich allerdings gewöhnen. Wie viel herrlicher waren ihre eigenen Haare, die ihren anbetungswürdigen Körper wie samtschwarze Tressen in voller Pracht nur für ihn umschmeichelten.
    Für die Dauer eines Wimpernschlags war Constantin versucht, seinen einstigen Gott anzuflehen, er möge die in sie gesetzten Hoffnungen nicht enttäuschen. Doch Götter ließen sich huldigen, aber nicht bitten. Wenn sie jemals etwas gaben, dann mit Berechnung. Zudem hatte jener Gott Constantin bereits vor langer Zeit den Rücken gekehrt.
    Sobald Pauline aber ihre Stimme erhob, verflogen seine Befürchtungen. Obwohl er Bizets Oper seit ihrer misslungenen Premiere in Paris unzählige Male gesehen hatte, verfolgte er wie gebannt das Geschehen.
    Die Soldaten, die derweil mit ihr dort unten auf der Bühne ihren Schabernack trieben, hätte er würgen können. Sie aber ließ sich nicht verlocken, den Versprechungen der Männer zu glauben und ihnen ins Quartier zu folgen. Erleichtert atmete er auf, als sie unbeschadet von der Bühne abging. Doch dieser Frieden konnte nicht von Dauer sein. Beim nächsten Auftritt himmelte sie Don José an, als gehörte ihr Herz seit Jahren diesem unwürdigen Brigadier.
    Siehst du denn nicht, dass er einer anderen verfallen ist? , hätte Constantin ihr gern zugerufen, so gefesselt war er von ihrem Spiel.
    Für meine Nerven ist es zweifellos günstig , dachte er anschließend amüsiert, dass ihr nächster Auftritt erst im dritten Akt stattfindet .
    Bis dahin würde er die Minuten dennoch zählen; er konnte gar nicht genug von ihr hören. In seinen Augen hatte sie ihre Feuerprobe längst bestanden, und die Reaktion des Publikums bestätigte ihn darin.
    Inszenierung und Sänger waren gut genug, um seine Aufmerksamkeit auch nach Paulines herzergreifenden Arie im dritten Akt bis zum Schluss zu fesseln. Besonders Jonathan Tailor hätte dank seiner Stimme und der darstellerischen Fähigkeiten ein weiterer Kandidat für die Musen sein können. Allerdings lebte er, zumindest ging das Gerücht, zu erdgebunden, um sich den Göttern bereitwillig zu verschreiben. Eine intakte Familie, Kinder … das machte weniger anfällig für die Avancen einer Muse.
    Der Applaus am Ende war überwältigend. Keinen einzigen Operngast hielt es mehr auf seinem Sitz, und für Pauline regnete es beinahe ebenso viele Blumen wie für die hierzulande äußerst beliebte Carmen.
    Constantin fiel ein Stein vom Herzen. Er hatte nie an Paulines Talent gezweifelt. Aber es gab so viele Dinge, die ein Debüt wie dieses behindern, wenn nicht sogar zum Desaster werden lassen konnten. So hatte etwa das Orchester viel zu laut gespielt. Pauline jedoch war es ohne sichtbare Anstrengung gelungen, auch die zarten Töne bis in die hintersten Reihen hörbar zu machen. Als täte sie seit Jahrzehnten nichts anderes, hatte sie sich wie selbstverständlich in ihrer Rolle bewegt und eine so hinreißende, naive und bezaubernd junge Micaëla gegeben, wie er sie nie zuvor gesehen hatte.
    Als alle längst gegangen waren, saß Constantin noch regungslos da und sah auf den prächtigen roten Vorhang. Er war vorbereitet gewesen, notfalls auch einige Gefallen einzufordern, doch über die Kritiken musste er sich keine Gedanken machen.
    Wie lange hatte er nach einer Gefährtin wie dieser gesucht! Eine Frau, die eines Tages stark genug sein würde, sich ihm bedingungslos hinzugeben, ohne ihren Stolz dabei zu verlieren. Doch dieses Vertrauen aufzubauen brauchte Zeit, Zeit, die er nicht haben würde, wenn es nach Apollon, dem Herrn der Musen, ging. Ein Jahr nur. Ein verdammtes Jahr hatte man ihm zugestanden, und ausgerechnet jetzt waren seine Gebete erhört worden.
    »Seño r ? Darf ich Sie bitten, das Theater …?« Der Platzanweiser verstummte und wich vor ihm zurück. »Was zum Teufel …?«
    Constantin war aufgesprungen und starrte den

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