Gib mir deine Seele
er zwei Finger in die Höhe. »Mach nur so weiter, dann haben wir am Ende des Abends ein ganzes Wochenende zusammen.«
Paulines Blick fiel zufällig auf den Rückspiegel, und sie fing ein verschmitztes Lächeln der Fahrerin auf. Offenbar hatte die Frau sie verstanden und ahnte, wovon sie sprachen. Schnell sah sie beiseite und legte Constantin warnend eine Hand aufs Bein.
Der interpretierte die Geste allerdings anders und räusperte sich. »Ich dachte, du wolltest essen gehen.«
Eigentlich auch egal, was sie von uns hält. Pauline ließ die Hand höher gleiten und schnurrte: »Aber ja. Ich bin vollkommen ausgehungert.«
24 Hamburg – Sommer in der Stadt
Als er am folgenden Morgen die Augen aufschlug, lag Pauline nicht mehr im Bett. Mit gekreuzten Beinen saß sie auf dem Holzboden des Balkons, neben ihr stand eine Wasserflasche. An ihrer Haltung konnte er erkennen, dass sie meditierte oder vielleicht einfach nur dort saß und die Morgensonne auf ihrer Haut genoss. Die Yogaübungen, die ihren Körper so herrlich geschmeidig hielten, hatte sie also schon beendet.
Die Qualitäten jeder seiner Geliebten hatte er zu schätzen gewusst, sie fürstlich belohnt und ihre Hingabe genossen. Doch den Wunsch, so nahe mit jemandem zusammenzuleben wie mit Pauline, hatte er noch nie zuvor verspürt. Im Grunde hatte er die Menschen benutzt, so wie sie ihn benutzten, um zu Wohlstand zu kommen, oder was auch immer ihre Ziele sein mochten.
Die Besten hatte er den Göttern geopfert, auch Männer waren darunter gewesen, wobei diese ihn selten zu mehr als einem freundschaftlichen Verhältnis reizten.
Nie hätte Constantin geglaubt, wie wertvoll ihm die gemeinsamen Stunden mit einem Menschen werden könnten. Nein , korrigierte er sich, nicht irgendeinem Menschen. Pauline.
Er mochte es, sie in seiner Nähe zu wissen, sah ihr liebend gern zu, wenn sie, wie in Barcelona, selbstvergessen die Katze streichelte oder im Bett neben ihm schlief. Die Lippen leicht geöffnet, dunkle Schatten unmöglich langer Wimpern auf der alabasterfarbenen Haut, sah sie wie eine unschuldige Madonna aus. Unschuldig aber war sie schon lange nicht mehr. Er hörte es in ihrer Stimme, die sicherer geworden war, ohne auch nur einen Hauch der Frische verloren zu haben. Wenn sie sang, traf es ihn jedes Mal bis ins Mark. Dieses Geschöpf war ein Meisterwerk der Natur, und es gehörte ihm.
Vorerst , dachte Constantin, und seine gute Laune verflog. Er würde sie verlieren, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Ob er eine Chance gehabt hätte, besäße er noch ein Herz? Die Kraft der Liebe hatte die Götter schon oft dazu gebracht, Gnade walten zu lassen. Aber Constantin konnte nicht lieben, und seine Seele war einsam und kalt.
Und vielleicht , dachte er, ist dies meine Strafe.
Angemessen für jemanden, der seine tiefste Befriedigung darin fand, Menschen zu manipulieren und zu beherrschen, dem es Freude bereitete zuzusehen, wie sich Pauline unter seiner harten Hand hilflos ihrer Lust ausgeliefert wand; wie sie schrie, weinte, um Gnade flehte und doch immer wieder darum bat, von ihm bis über ihre Grenzen hinausgeführt zu werden, als könnte sie sich nur im Schmerz vollkommen spüren.
Der Gedanke daran, was er als Nächstes für sie plante, sandte ein Ziehen in seine Lenden, so stark, dass er sich selbst Erleichterung verschaffte, bevor er, von ihr noch immer unbemerkt, ins Bad ging.
Pauline hatte ihn bei seiner Runde um die Alster begleitet. Das tägliche Training an der Promenade in Barcelona zeigte Erfolg. Sie lief inzwischen so leichtfüßig und mühelos, dass es ihr nicht schwerfiel, sich seinem Tempo anzupassen.
Dieses Ausdauertraining ist hilfreich , dachte er zufrieden. In ihrem Beruf und nicht zuletzt im Bett.
Nun saßen sie in einem Ufer-Café und frühstückten.
»Ich habe Marcella eine Mail geschickt, dass sie mit dem Anruf der Staatsoper rechnen kann«, sagte Pauline und tunkte ihr Croissant in den Milchkaffee.
»Weiß Siobhan schon von ihrem Glück?«
»Nö.« Sie tippte auf ihre Armbanduhr. »Dafür fand ich es noch zu früh. Ich rufe sie nachher an.«
Dass sie sich in Belangen des Alltags gern seiner Kontrolle entzog, verschaffte ihm eine eigenartige Befriedigung. Gleichzeitig reizte es ihn, sie so bald wie möglich erneut zu unterwerfen.
Er verbannte seine lüsternen Fantasien. »Und was hast du nun vor?« Die Proben sollten in drei oder vier Wochen beginnen.
»Ich möchte die Stadt kennenlernen, und außerdem müsste ich für ein
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