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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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sie mit dem Tuch nach ihm schlug.
    Am Abend war Pauline mit Kris, dem Sänger der Gothic-Band, in einem Restaurant direkt am Fischmarkt verabredet, und Nicholas bot ihr an, sie hinzufahren. Weil es nach Regen aussah, nahm sie an. Als sie zustimmte, war seine Erleichterung nahezu greifbar.
    »Das war kein rein freundschaftliches Angebot, stimmt’s?«
    »Sagen wir mal so, Constantin würde mich einen Kopf kürzer machen, wenn dir etwas zustieße. Und ich fände es auch nicht so prickelnd.«
    »Was soll mir denn zustoßen? Ich gehe mit jemandem Essen. Sonst nichts.«
    Durchdringend sah Nicholas sie an. »Das fragst du mich? Bei dir fängt alles immer harmlos an, und auf einmal steckst du mitten in einem Schlamassel, den sich nicht mal ein Schriftsteller hätte ausdenken können.«
    »Na ja, in letzter Zeit passieren wirklich die merkwürdigsten Dinge.« Pauline hatte sich auch schon gefragt, ob sie das Chaos neuerdings anzog. »Genau genommen aber erst, seitdem ich euch kenne.«
    »Venedig«, sagte er nur.
    »Stimmt, damit fing es an.« Pauline tat, als überlegte sie. »Vielleicht eine kosmische Störung?«
    »Damit könntest du recht haben.« Nicholas sagte das so trocken, dass sie lachen musste, aber dieses Mal fiel er nicht ein, sondern sah sie nachdenklich an. »Das wird es sein. Ich bringe dich hin, und wenn du nach Hause willst, rufst du mich an. Okay?«
    Sosehr er sich bemüht haben mochte, es nicht wie einen Befehl klingen zu lassen, es war ganz eindeutig eine Anweisung, und Pauline hatte gute Lust, sich zu widersetzen. Doch heute fehlte ihr die Kraft dazu, und sie sagte nur: »Meinetwegen. Ich bin um halb acht verabredet. Wann fahren wir hier los?«
    Auf die Minute pünktlich klingelte er am Abend und stieß einen Pfiff durch die Zähne aus. »Was hast du vor?«
    »Meinst du, das ist zu aufgebrezelt?« Unsicher sah Pauline an sich hinab.
    Sie trug ein schlichtes, schwarzes Etuikleid, dunkle Strümpfe und Schuhe in moderater Höhe. Dazu hatte sie sich eine lange Silberkette umgelegt, an der die Replik eines römischen Mondschmucks hing. Oder vielleicht war es auch keine Replik. Bei Constantin konnte man das nie so genau wissen.
    »Der arme Kerl. Er wird dir verfallen, wenn er es nicht schon ist. Du siehst fantastisch aus.«
    »Woher wusste er überhaupt, wer ich bin?«
    »Das hast du Lilly zu verdanken. Nach der Show hat der Sänger davon gesprochen, wie beeindruckt er von deiner Stimme war. Da hat sie es ihm erzählt.«
    »Das hätte ich mir denken können. Na gut, lass uns fahren.«
    Gespannt, was dieser Kris von ihr wollte, betrat sie kurz nach halb acht das gut besuchte Restaurant und sah sich um. Ein Kellner kam auf sie zu und fragte, ob er ihr helfen könne. Als Pauline sagte, mit wem sie verabredet war, nickte er und bat sie, ihm zu folgen.
    Der Mann, der aufstand, um sie zu begrüßen, sah ganz anders aus, als sie erwartet hatte. Die weißblonden Haare, die er zusammengebunden hatte, waren auf den ersten Blick die einzige Gemeinsamkeit mit dem charismatischen Derwisch auf der Bühne. Die schwarz gerandete Brille stand ihm gut, veränderte aber vollkommen seinen Typ.
    Rockstars tragen normalerweise keine Brillen , dachte Pauline und musste innerlich grinsen, als sie sich daran erinnerte, wie Constantin das erste Mal seine Lesebrille aufgesetzt hatte. Es war natürlich ein Klischee, aber so ein kleines Handicap ließ diese dominanten Männer sofort weniger gefährlich wirken – das hatte schon der Erfinder von Superman gewusst, als er der menschlichen Version seiner Comicfigur eine Brille verschrieb.
    »Hi«, sagte sie und musterte ihn. »Ich hätte dich nicht erkannt.«
    »Ich dich möglicherweise auch nicht, wäre da nicht vor ein paar Wochen halb Hamburg mit der Don-Carlos -Ankündigung plakatiert gewesen«, sagte er mit einem Schmunzeln. »Wollen wir uns nicht setzen?«
    Erstaunt stellte sie fest, dass seine Stimme tatsächlich so dunkel klang, wie es der Gesang hatte vermuten lassen. Das war nicht bei jedem Sänger der Fall.
    Über einem außerordentlich leckeren Essen kamen sie schnell ins Gespräch. »Früher dachte ich, wir Sänger wären ein Instrument des Komponisten«, sagte Pauline und trank einen Schluck Wasser. »Heute ist es mir wichtiger, eine Geschichte und die damit verbundenen Gefühle zu transportieren. Ich höre keineswegs nur Klassik, aber mit diesen Bla-bla-Songs aus der Retorte kann ich wenig anfangen.«
    Kris nickte, und Pauline freute sich über seine Zustimmung. Sie hatte sich

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