Gib mir deine Seele
möglicherweise Probleme bekämen, aber ich kann dir versichern, dass ich mich privat nie verkleide, sondern nur das trage, was mir gefällt«, beruhigte Pauline sie.
»So war das nicht gemeint. Nur …« Véro räusperte sich.
»… du hast dir Opernsängerinnen anders vorgestellt«, ergänzte sie belustigt den angefangenen Satz.
»Ja, das stimmt«, sagte Véro erleichtert und erzählte Pauline noch, dass sie dazu einen knöchellangen taillierten Ledermantel bekommen sollte. »Ich besorge passenden Silberschmuck, und wenn du auch welchen hast, bring ihn ruhig mit.«
Es war noch dunkel, als Lilly in einem klapprigen Wohnmobil, das im Freihafen hinter einem Containergebirge geparkt war, die letzte widerspenstige Locke glättete, während die Stylistin den Schmuck inspizierte. Pauline hatte Constantins Schatulle geplündert und die besten Stücke mitgebracht.
Véro war begeistert. »Woher hast du den Schmuck?«
»Gehört meinem Mann.« Unsinnigerweise war sie stolz darauf, die junge Frau beeindruckt zu haben. »Wie wäre es mit dem hier?« Sie streifte einen mächtigen Siegelring mit Lilienemblem über den Mittelfinger und betrachtete dessen Wirkung auf ihrer Hand. »Oder doch lieber den Totenkopf?«
»Seid ihr so weit?« Kris kam herein und musterte Pauline kritisch. »Genauso habe ich mir das vorgestellt«, sagte er und steckte ihr den schweren Ring auf, den sie noch unentschlossen in der Hand gehalten hatte. »Silberschmuck kann man gar nicht genug tragen. Komm, es geht los!«
Gleich darauf stellte er ihr das Filmteam und die Bandmitglieder vor. Alle wirkten älter als Pauline, der es zuerst unangenehm war, so beäugt zu werden.
Sie kennen dich nicht. Natürlich sind sie neugierig , sagte sie sich. Schließlich drehte man nicht jeden Tag ein Video mit einer Opernsängerin. Sie waren eben alle ein wenig aufgeregt. Als Pauline aber schließlich bewusst wurde, dass dies im Grunde eine ähnliche Situation war, wie sie sie schon Dutzende Male in der Oper erlebt hatte, entspannte sie sich. Würde hier etwas schieflaufen, könnte man die Aufnahme wiederholen, während einer Vorstellung ging das nicht.
Recht schnell wurde deutlich, wer die Entscheidungen traf. Kris schien immer an mehreren Orten gleichzeitig zu sein. Obwohl er zwischendurch auch mit seinen Freunden herumalberte, Pauline, Lilly oder anderen aus dem Team ein charmantes Kompliment machte, behielt er alle Vorgänge im Blick. Und auch die Band war hoch konzentriert, sobald die junge Kamerafrau das Zeichen für eine neue Szene gab. Sie hatten ein gemeinsames Ziel und arbeiteten professionell daran, es zu erreichen. Pauline fühlte sich unter ihresgleichen und sehr wohl.
Am dritten Tag drehten sie im Jenischpark und am Elbufer, wo Pauline gegen Mittag ihre letzte Szene hatte. Um die Zeit zu überbrücken, bis die Kamerafrau das Licht für die restlichen Aufnahmen für geeignet hielt, lud Kris alle zu einem Imbiss ins beliebte Engel über dem Anleger Teufelsbrück ein, der sich nur wenige hundert Meter flussabwärts befand. Von dort aus sandte Pauline eine SMS an Nicholas, der versprochen hatte, sie abzuholen.
An seiner Stelle kam jedoch Constantin. Fasziniert beobachtete sie die Reaktion der Menschen in ihrer Nähe. Jeans und ein dunkelgraues Hemd waren ein vergleichsweise unauffälliges Styling, dennoch zog er alle Blicke auf sich, als er über die Brücke zum sanft schaukelnden Anleger ging.
Das konnte natürlich an seinem zweifellos fabelhaften Aussehen liegen. Der wahre Grund jedoch war diese beunruhigende Präsenz, die er besaß. Seine Körperspannung blieb in der kleinsten Bewegung erhalten. Wie bei einem Tänzer, oder, noch passender, einem virtuosen Florettfechter im Kampf auf Leben und Tod. Jede Geste, jedes Lächeln schien eine geheime Bedeutung zu haben, die zu ergründen mit einem Mal außerordentlich wichtig war.
Losgelöst aus ihrem gemeinsamen Alltag, verfiel auch Pauline der atemberaubenden Magie, über die er mit leichter Hand zu verfügen schien.
»Mädels, rührt euch nicht vom Fleck, der gehört mir«, flüsterte Véro, als er schließlich das Restaurant betrat.
Lilly kicherte. »Ich fürchte, da wirst du dich ganz hinten anstellen müssen, meine Liebe.«
In diesem Augenblick entdeckte Constantin Pauline, und es war nicht zu übersehen, dass er sie beim Näherkommen mit seinen Blicken geradezu verspeiste.
Seit vier Tagen hatten sie sich nicht mehr gesehen, und sofort brach ein Tumult in ihrem Hormonhaushalt aus. In seinem
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