Gib mir deine Seele
eine Wasserflasche in die Hand, und Nicholas gab ihr die kleine Pillendose, die sie inzwischen mit zittrigen Fingern aus ihrer Tasche gezogen hatte.
Nachdem sie eine Kapsel geschluckt hatte, dauerte es nicht lange, und ihr ging es besser.
»Danke. Alles wieder in Ordnung. Tut mir leid.« Sie stand auf, sah Nicholas an. »Tust du mir einen Gefallen …?«
Misstrauisch sah er sie an: »Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?«
»Nein«, log sie. »Ich möchte nur einfach nicht, dass er sich Sorgen macht. Bitte sag Constantin nichts von diesem Vorfall.«
Nachdenklich sah Nicholas sie an. »Meinetwegen, aber ich bringe dich jetzt besser ins Hotel zurück. Besonders rosig siehst du immer noch nicht aus.«
»Rosa steht mir sowieso nicht«, sagte sie. »Ich nehme mir ein Taxi, du hast schließlich Damenbesuch.«
»Einverstanden«, sagte er nach kurzem Zögern. »Komm, ich ruf dir eines.« Nicholas begleitete Pauline hinaus und wartete mit ihr, bis das Taxi kam. Darüber ließ er nicht mit sich reden.
»Sagst du der Band, es tut mir leid? Ich melde mich in den nächsten Tagen.«
»Natürlich. Wir sehen uns morgen.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Schlaf gut.«
Auf der Fahrt bekam Pauline Hunger und musste über sich selbst lachen. Da konnte sie sich noch so schlapp fühlen, der Appetit verging ihr selten. Im Hotel angekommen, bestellte sie sich nach kurzer Überlegung einen Imbiss aufs Zimmer, schickte einen Kommentar zum heutigen Tourneeabschluss auf ihre neue Facebook-Seite und machte es sich mit einem guten Buch im Bett bequem. Bald darauf löschte sie das Licht, dachte an Constantin und schlief glücklich ein.
Der nächste Gedanke war: Ich sterbe!
Es war ein furchtbarer Albtraum, aus dem sie mit einem Schrei erwachte. Ihr Herz schlug nicht mehr, es flirrte. Pauline fror, zitterte und gleichzeitig liefen ihr heiße Tränen über die Wangen. Ihr war übel. Gerade so schaffte sie es ins Bad und erbrach sich. Zuerst waren es heftige Krämpfe, die ihren Körper erschütterten, doch allmählich fühlte sie sich von einer nie gekannten Schwäche überwältigt, während das Herz wie wahnsinnig um ihr Überleben kämpfte.
Konzentriere dich auf deinen Atem!
Atme!
Sie tat alles, was ihr Unterbewusstsein ihr soufflierte … und fühlte sich immer hilfloser. Das Handy lag auf dem Nachttisch. Die Telefonanlage des Hotels war nicht nur unerreichbar fern im Arbeitszimmer der Suite, ein Notruf bliebe auch nicht unbemerkt. Sie stand im Moment sowieso schon im Fokus der Klatschpresse. Die würde so lange herumwühlen, bis sie ihre Herzkrankheit entdeckt hätte.
Dann aber wäre alles vorüber. Sie mochte den richtigen Zeitpunkt verpasst haben, Constantin von ihrem »Problem« zu erzählen. Die Folgen wären zu jeder Zeit die gleichen gewesen: Er hatte es selbst gesagt, je stärker Pauline war, desto größer für ihn die Herausforderung, sie zu dominieren. Daraus zog er seine Befriedigung, und nur unter diesen Bedingungen war er eine kompromisslose Bindung mit ihr eingegangen. Erführe er, dass sie ihn von Anfang an getäuscht hatte, wären alle Zusagen hinfällig – da war sie ganz sicher.
Die Vorstellung, ihn zu verlieren, war ihr so unerträglich, dass sie verzweifelt nach Luft rang, während ihr eine heiße Hand das Herz herausriss. Bitte mach, dass es aufhört , flehte sie. Aber wer sollte ihr helfen? Sie griff nach ihrem Ring, hielt ihn fest und hoffte auf ein Wunder, darauf, dass dieselbe magische Kraft, die sie mit Constantin verband, sie nun am Leben hielt.
Bitte!
Plötzlich war es vorbei. Das Herz tat einen kräftigen Schlag, dann einen zweiten und fiel schließlich in den alten Rhythmus, ein wenig holperig noch, mit kleinen Aussetzern, aber allmählich kräftig genug, dass sie freier atmen und irgendwann sogar aufstehen konnte. Mit zittrigen Knien setzte sie sich auf den Rand der großen Wanne, ließ Wasser über ihren Körper laufen. Später, zurück im Bett, drehte sie den Ring an ihrem Finger.
Danke.
Beinahe war sie versucht zu glauben, dass eine fremde Macht ihren Hilferuf erhört hatte, und wenn das so gewesen sein sollte, dann war wohl das Mindeste, was sie tun konnte, sich dafür zu bedanken.
Als sie das nächste Mal erwachte, war es nur das Piepsen ihres Handys, das sie geweckt hatte. Eine Nachricht von Constantin, der ihr mitteilte, er würde gegen Mittag im Hotel sein. Noch vier Stunden. Pauline fühlte sich schlapp, verspannt und immer noch ziemlich wackelig auf den Beinen. Sie
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