Gib mir deine Seele
Hüfte anzupassen.«
»Und ordentlich Busen hat sie auch. Pass mal auf, dass der sich nicht senkt, wenn du weiter so abnimmst«, sagte Janice, die auf dem Tisch saß, mit den Beinen baumelte und ihnen zusah. »Mit diesen hochgesteckten Haaren und der Sanduhr-Figur siehst du aus wie ein Gibson-Girl.« Sie griff nach einem selbstgebackenen Weihnachtsplätzchen. »Pech gehabt, Schätzchen. Heutzutage ist das nicht mehr angesagt.«
»Unfug!« Henry, die essen konnte, was sie wollte, ohne ein Gramm Fett anzusetzen, nahm ihr das Gebäck aus der Hand und biss hinein. »Die Männer stehen drauf. Glaub’s mir.«
»Du meinst ein gebärfreudiges Becken und die schlanke Taille als Beweis dafür, dass noch nichts angesetzt hat?« Janice lachte. »Da könntest du recht haben. In diesem Kostüm wird unser Paulinchen jedenfalls keine Mühe haben, sich einen Ersatz für ihren untreuen Millionär zu angeln.«
»Wenn ihr euch genug über mich lustig gemacht habt, würde ich mir jetzt gern wieder etwas Richtiges anziehen. Mir ist kalt«, sagte Pauline und rieb sich die Hände. »Janice, du könntest uns eigentlich noch eine Runde heiße Schokolade machen.«
Lachend sprang die Freundin vom Tisch. »Seelenbalsam. Kommt sofort.«
Janice, die am nächsten Tag nach Hause flog, hatte einen riesigen Topf voll Mitternachtssuppe gekocht und eingefroren. Sie konnte sehr gut kochen und hatte schon in den Vorjahren mit der scharfen Suppe gepunktet, die gerade richtig war, um dem einen oder anderen Kater vorzubeugen. Ihre Freundinnen würden den Zaubertrank in der Küche des Pubs nur noch erhitzen müssen.
Janice’ kurze Abwesenheit nutzte Pauline, um sich nach Nicholas zu erkundigen. Henry wollte zwar nicht damit herausrücken, wie sie sich eigentlich genau kennengelernt hatten, fest stand jedoch, dass er eine ihrer Aufführungen besucht hatte und die beiden im Anschluss gemeinsam um die Häuser gezogen waren. Seither war sie kaum wiederzuerkennen. Ihre Freundin war in den blonden Chauffeur verknallt, und offenbar wurden diese Gefühle erwidert. Sosehr Pauline Henry ihr Glück gönnte, sie hätte sich gern selbst so gefühlt. Verliebt war sie auch, aber Constantin hatte sich nicht mehr gemeldet.
»Du siehst ihn ja zur nächsten Gesangsstunde«, hatten die Mädels sie anfangs getröstet, als Pauline ungefähr zum hundertsten Mal nachgesehen hatte, ob ihr eine Kurznachricht oder ein Anruf entgangen sein könnte. Aber er war nicht dort gewesen. Bevor sie wieder ging, hatte sie sich ein Herz gefasst und Nicholas gefragt, der stattdessen anwesend war.
Constantin, hatte der geantwortet, schätze es nicht, wenn er über seine Pläne spräche. Dabei hatte er ihr einen mitfühlenden Blick zugeworfen, der Paulines Hoffnungen auf ein Wiedersehen ziemlich gedämpft hatte.
»Jemand, der dir ein Treffen mit der Corliss arrangiert, der bricht danach nicht einfach den Kontakt ab«, sagte Henry und half ihr aus dem Engelskorsett heraus.
»Es sei denn, du hast so schlecht geküsst …« Janice kehrte mit drei Tassen Kakao in den Händen zurück. Unter dem Arm klemmte eine Flasche.
»Ach, hör schon auf, sie zu quälen. Es ist wirklich nicht nett, wie er sie behandelt.« An Pauline gewandt fügte Henry hinzu: »Er ist eben ein vielbeschäftigter Mann. Der meldet sich schon wieder.«
»Natürlich tut er das, Herzchen«, sagte Janice jetzt freundlicher. »Auch ein Schlückchen Rum in deine Schokolade?«
Pauline griff nach ihrer Tasse und schüttelte den Kopf. »Du weißt doch, dass ich nichts vertrage.« Dabei tastete sie mit der anderen Hand unauffällig nach dem Handy in ihrer Tasche. Warum meldete er sich bloß nicht?
5 London – Fröhliche Weihnachten
Am Tag vor Weihnachten wurde Hänsel und Gretel in einer Nachmittagsvorstellung das letzte Mal gespielt, und Pauline hatte sich schon Tage zuvor darauf gefreut, anschließend mit Tante Jillian und Marguerite essen zu gehen.
Ihr Weihnachtsgeschenk an die beiden war die Freikarte, die jedem Ensemblemitglied zustand. Die zweite hatte sie von Henry bekommen, deren Eltern die Feiertage auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik verbrachten. Und so saß sie nun mit ihrer Tante und deren Lebensgefährtin in dem gemütlichen Bistro Parisien in South Kensington und feierte ihren Geburtstag nach.
Marguerite sprach wie immer Französisch, Jillian schloss sich an, und schließlich wechselte der zu Beginn ziemlich arrogante Kellner ebenfalls in seine Muttersprache. Pauline genoss die fröhliche Atmosphäre und
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