Gib mir deine Seele
studieren?«
»Er findet, ich sollte mich auf die Sache konzentrieren, die mir am meisten Spaß macht. Selbst wenn es bedeutet, dass wir uns eine Weile nicht sehen.«
»Da hat er recht. Außerdem seid ihr doch nur für ein paar Wochen getrennt.«
Die Worte klangen hohl. Sie selbst vermisste Constantin gewaltig, und ihre gemeinsame Nacht lag auch nur ein paar Wochen zurück.
»Genau. Und jetzt packen wir für München.« Henry sprang auf, lief dann aber zur Tür statt in ihr Zimmer, weil es läutete. »Nicholas! Was bringst du denn da?«
Pauline ließ den beiden Zeit für eine ausgiebige Begrüßung, bevor sie um die Ecke in den Flur sah. Dort stand ein Koffer.
»Ziehst du bei uns ein? Ich muss dich aber vorwarnen, singen ist nicht erlaubt!«
»Der ist für dich.« Nicholas sah auf die Uhr. »Ich muss leider sofort wieder los. Mein Boss lebt heute seine sadistische Ader aus.«
»Dann grüß ihn mal schön, deinen Boss. Ich hoffe, er hat ein Foto von sich reingelegt. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wie er aussieht.«
Ungeachtet dieser Bemerkung freute sie sich, dass Constantin an sie gedacht hatte. Er ahnte wohl, dass sie keinen Koffer besaß. Die waren teuer, und Platz hätte sie in ihrem Zimmer auch nicht dafür gehabt.
»Ein Foto? Kann ich mir nicht vorstellen.« Nicholas stand bereits in der offenen Tür. »Ich wette, dir gefällt trotzdem, was sich darin befindet. Cheerio, ihr Schönen!« Er warf Henry eine Kusshand zu, und wenig später fiel unten die Haustür zu.
»Was stehst du da noch rum? Mach das Ding auf!«
Henry schob Pauline zurück in ihr Zimmer, und gemeinsam hoben sie den Koffer aufs Bett.
»Das ist einer dieser ultra-coolen Polycarbonat-Koffer, die angeblich nie kaputt gehen. Ich wusste gar nicht, dass es die auch in so einem Grau gibt. Sehr edel«, sagte sie anerkennend, ließ die Schlösser aufschnappen, zog am Reißverschluss und pfiff durch die Zähne. »Ich glaube, das Kleidershopping hättest du dir sparen können.«
Dabei nahm sie den Kleidersack heraus, hängte ihn an die Tür und öffnete ihn. Drei Kleider. Das erste war mädchenhaft und schlicht, mit hoher Taille.
»Toll, Empirestil. Das ziehst du an, wenn du die Micaëla singst.« Sie griff nach den nächsten beiden. »Dieses ist wunderbar gefährlich, es kann nur für die aufgebrachte Konstanze in der Entführung aus dem Serail sein.«
Das letzte Kleid war aus schwarzem Seidentaft und schimmerte so kostbar, dass Pauline Sorge hatte, sie würde Fingerabdrücke darauf hinterlassen.
Henry untersuchte den Koffer weiter und zog nacheinander noch einen Hosenanzug und einen Mantel heraus, beide federleicht und von exzellenter Qualität. Dazu zwei Paar Schuhe, Wäsche und Strümpfe.
»Ein Zauberkoffer«, sagte Pauline in komischer Verzweiflung. Sie würde kaum etwas von den Sachen mitnehmen müssen, die sie sich bereits zurechtgelegt hatte.
»Allerdings, er hat an alles gedacht. Aber kein Schmuck?« Sie überlegte. »Vielleicht gar nicht so schlecht. Die Kleider geben dir Klasse, aber sie werden nicht von deiner Stimme ablenken.«
»Schmuck hätte auch gerade noch gefehlt! Ich bin doch nicht seine …«
»Das darfst du nicht einmal denken, Pauline. Ich sollte es wahrscheinlich nicht erzählen, aber Nicholas sagt, dass dein Constantin große Freude daran hat, dir Geschenke zu machen.«
Andächtig befühlte Pauline die Dessous. »Sie sind wunderschön, aber peinlich ist es schon. Als ob ich mir nicht selbst etwas zum Anziehen kaufen könnte.«
»Kannst du doch auch nicht.«
»Du bist fies!« Pauline knuffte Henry mit dem Ellbogen in die Seite.
»Na ja, jedenfalls nicht solche Klamotten«, sagte Henry versöhnlich grinsend.
Pauline wusste nicht, ob sie sich freuen sollte. Jedes der Kleider war ein Traum, aber erstens hatte sie ja nun selbst Geld, und zweitens ärgerte sie sich, dass er einfach so über ihren Kopf hinweg Entscheidungen traf. Zumal er genau wusste, dass sie nicht widerstehen konnte. Kleider machten Leute. Für einen internationalen Wettbewerb wie diesen konnte man gar nicht gut genug angezogen sein. Es sollte sogar eine Fernsehdokumentation darüber gedreht werden. »Jeder wird dich siegen sehen. Spätestens, wenn die ersten Clips im Internet auftauchen«, hatte Elena sie ermahnt.
Kein besonders beruhigender Gedanke. Die Corliss! Vielleicht steckte sie dahinter. Ja, so wird es gewesen sein. Sie hatte Constantin erzählt, dass sich Pauline Kleider bei Top Shop gekauft hatte. Bei der letzten Gesangsstunde
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