Gib mir meinen Stern zurück (German Edition)
setzte, kam er erst einmal beeindruckt zum Stillstand. Der hallenähnliche Vorraum mit dem glänzenden weißen Marmorboden vermittelte den Eindruck, ein Schloss zu betreten. Nicht, dass er jemals ein Schloss von innen zu Gesicht bekommen hätte, aber dieses Haus kam seiner Vorstellung davon ziemlich nahe.
Die überdimensionale Fensterfront des Wohnzimmers im oberen Stockwerk offenbarte einen freien Blick auf die schneebedeckten Alpen. Schnee! Er kannte ihn nur aus dem Fernsehen und hätte ewig einfach nur dastehen und glotzen können. Doch Valerie war bereits auf dem Weg in die Küche, wo er erneut staunend abbremste. Das riesige U-förmige Teil, in dem die roten Hochglanzschränke mit den Chromleisten um die Wette strahlten, war überwältigend.
Ausgiebig begutachtete er auch die restlichen, in seinen Augen jedoch völlig überflüssigen, Zimmer. Alle, außer Angelinas Schlaf- und Ankleideräume, denn vor dieser Tür legte Valerie den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete ihm, die schlafende Diva nicht zu stören.
Was ihn erneut begeisterte waren die vielen kuschelig weichen Teppiche, die sich mancherorts niedergelassen hatten. Vor seinem geistigen Auge stellte er sich die flauschigen Teile in seinem sterilen Haus in Siria vor. Tristan würde sie lieben. Und in diesem Moment traf er die Entscheidung, bei seiner Rückkehr ein paar grundlegende Dinge auf dem kleinen Planeten zu verändern. Etwas mehr Farbe würde den langweiligen Häusern sicherlich guttun.
Die Aluminiumteile des riesigen Fitnessstudios glänzten im Licht der Deckenstrahler, als Valerie das Untergeschoss beleuchtete. Sie öffnete die Tür zur finnischen Sauna und zum Dampfbad und eine fast schon vergessene Hitze hüllte ihn ein wie ein dicker Wintermantel. Allmächtiger! Auf Siria herrschte ganzjährig eine Durchschnittstemperatur von fast fünfzig Grad Celsius, sodass er Wärme wirklich gewöhnt war, aber die Luftfeuchtigkeit, die sich in der kleinen Holzhütte eingenistet hatte, raubte ihm kurzzeitig den Atem.
Durch eine getönte Glastür gelangten sie in einen parkähnlichen Garten, in dessen Mitte sich ein beachtlicher Swimmingpool breitgemacht hatte. Rafael schnappte ungläubig nach Luft. Luxus und Extravaganz bis zum Abwinken, aber mehr Grundstück als ein einzelner Mensch jemals gebrauchen konnte. Wie zur Hölle konnte man in so einem Monstrum glücklich sein?
Nachdem sie ihre Besichtigungstour beendet hatten, lud Valerie ihn zum Ausklang des ersten Tages auf einen Kaffee ein. Rafael hasste den bitteren Geschmack des dunklen, undefinierbaren Gebräus mit dem durchdringenden Aroma, doch in Erwartung weiterer Informationen nahm er die Einladung an.
Der Grundriss ihrer Wohnung ähnelte der seinen, mutete aber durch die heimelige Einrichtung wesentlich gemütlicher an. Überall hatte Valerie Akzente gesetzt, mit duftenden Blumen oder farbenträchtigen Fotos von bizarren Landschaften und herrlichen Sonnenuntergängen. Er erkannte die Skyline von Hongkong und den Tafelberg und stellte sich die Frage, was seine Nachbarin mit diesen Orten verband.
Ach, was würde er dafür geben, diese exotischen Gegenden zu erkunden! Aber da die Flugzeuge der Erdenbewohner mit der Geschwindigkeit einer altersschwachen Schnecke um den Globus schlichen, erschien ihm die Aussicht darauf verschwindend gering, denn dummerweise war seine Zeit auf diesem aufregenden Planeten begrenzt.
Da fiel sein Blick auf einen Schreibtisch. Neben einem aufgeklappten Laptop stapelten sich Kohorten von Büchern, in trautem Einklang mit dicken Leitzordnern. „Sie stecken wohl bis zum Hals in Arbeit“, konstatierte er und nickte in Richtung der Unterlagen.
Valerie fuhr überrascht herum. „Ach, das. Nein, das hat nichts mit Angelina zu tun. Ich absolviere gerade ein Fernstudium in Betriebswirtschaft.“
„Wofür benötigen Sie das denn?“
„Im Moment eigentlich gar nicht. Aber ich kann unmöglich bis zum Ende meiner Tage Angelinas Kindermädchen spielen. Ich möchte mein Leben wieder selbst in die Hand nehmen.“
„Ist Ihre Chefin darüber im Bilde?“
Valerie nickte. „Ja, und sie bringt Verständnis dafür auf. Es ist ja auch nicht so, dass ich sie von heute auf morgen hängen lasse.“ Mit einer ausladenden Handbewegung forderte sie Rafael auf, im Wohnzimmer Platz zu nehmen, wo sie ihm Kaffee und ein Stück Schokoladenkuchen reichte.
Er registrierte ihre nicht enden wollende Bestürzung, als er acht Stück Würfelzucker in seiner Tasse versenkte und den Kuchen in
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