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Gib mir Menschen

Gib mir Menschen

Titel: Gib mir Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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obwohl ich der Überzeugung war, in einer überdimensionalen Bratröhre zu schmoren. Die Erlösung kam, als mein Bewußtsein wie auf Knopfdruck ausgeschaltet wurde.
    »Herr Hummer, können Sie mich hören? Ich bin Ihr guter Geist … O, bitte erschrecken Sie nicht. Ich meine natürlich, daß ich Ihr Betreuer bin. Dr. Pretorius.«
    »Und ich – bin ich tot?«
    Ein Lachen. Dann wieder die warme Stimme.
    »Keineswegs. Sie denken, also leben Sie. Und es könnte Ihnen nicht besser gehen. Aber ich ersehe aus ihrem EEG, daß Sie einiges durchgemacht haben müssen. Alpträume, richtig?«
    »Und das, ist das nicht schon wieder ein Alptraum?«
    »Es ist die Wirklichkeit, Herr Hummer.«
    »Warum kann ich dann nicht sehen?«
    »Nun, wir wollen langsam und der Reihe nach vorgehen. Wir wollen jede Aufregung vermeiden. Sie sollen sich allmählich an die neue Umgebung gewöhnen. Sie haben lange geschlafen, wissen Sie das?«
    »Wie lange? Fünfzig Jahre?«
    »Etwas mehr.«
    »Siebzig?«
    »Das kommt ungefähr hin. Nach christlicher Zeitrechnung würde man das Jahr 2051 schreiben.«
    »Warum sehe ich nichts?«
    »Ich sagte schon …«
    »Würde mich Ihr Anblick etwa erschrecken, Dr. Pretorius?«
    Wieder ein herzliches Lachen. Die angenehme, sanfte Stimme.
    »Ich glaube kaum. Ich bin zwar kein Adonis, aber ich sehe im übrigen ganz normal aus.«
    »Haben Sie eine hohe Stirn? Oder ist sie nur fingerhoch?«
    »Wieso fragen Sie das?«
    »Ein Alptraum hat mich zu dieser Frage inspiriert.«
    »O, tut mir leid. Ich fürchte, das war meine Schuld. Ich habe einen Fehler bei der Wiedererweckung gemacht und Ihnen ungewollt zu diesem Alptraumerlebnis verholfen. Aber ich versichere Ihnen, daß jetzt alles in Ordnung ist.«
    »Dann war alles vorher nur ein Traum. Es gibt keine Hauptlosen? Die Mailänder Krankheit hat die Menschheit gar nicht dahingerafft? Gibt es Heilung für mich? Sagen Sie mir das, Dr. Pretorius. Ich muß es wissen. Bietet die Erde ein für mich vertrautes Bild?«
    »Es passiert oft, daß man kurz vor dem Erwachen ein intensives Traumerlebnis hat«, sagte die freundliche Stimme einfühlsam. »Schon Freud hat …«
    »Das ist keine Antwort«, unterbrach ich ihn. »Sie weichen mir aus. Was ist mit den Kannibalen, gibt es sie?«
    »Sie bekommen auf alle Ihre Fragen Antworten. Nur müssen Sie die Art und Weise schon mir überlassen. Ich bin Ihr Arzt. Vertrauen Sie mir, Herr Hummer.«
    Ich beruhigte mich, obwohl mich das einige Mühe kostete. Die Dunkelheit machte mich mißtrauisch.
    »Also schön«, sagte ich. »Sie haben das Kommando. Was kommt als nächstes?«
    »Zuerst einmal ein paar Worte zu Ihrem körperlichen Befinden. Sie sind soweit wieder in Ordnung. Ihr Körper hat durch die Tiefkühllagerung einiges abbekommen, aber darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Ihr Gehirn ist dafür so intakt wie am Tage Ihrer Tiefkühlung. Dr. Benkser hat da ausgezeichnete Arbeit geleistet.«
    »Sie kennen ihn?« wunderte ich mich. »Was ist aus ihm geworden?«
    »Schon lange tot … Ich habe aber seine Aufzeichnungen. Daraus beziehe ich mein Wissen über Sie. Ich bin über alles informiert. Wollen Sie jetzt einen Blick riskieren? Ich versichere Ihnen, daß es Ihnen keinen Schock versetzt, wenn Sie Ihre Umgebung sehen. Machen wir also diesen ersten Schritt, ja?«
    Ich nickte stumm. Aber er schien das nicht bemerkt zu haben.
    »In Ordnung, Herr Hummer?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Schließen Sie die Augen fest. Tun Sie es bewußt und angestrengt, und öffnen Sie sie erst, wenn ich Ihnen das Zeichen gebe … Jetzt!«
    Ich öffnete die Augen. Über mir war ein blasses Oval, dunkel umrahmt. Meine Augen begannen zu tränen, so daß alles nur verschwommen wurde. Ich hob einen Arm und wischte mit dem Handrücken darüber, rieb mir die Nässe aus den Augen – und dabei wurde mir mit einem euphorischen Gefühl klar, daß ich meine Glieder bewegen konnte. Ich nahm die zweite Hand zu Hilfe und bedeckte damit mein Gesicht, spreizte langsam die Finger und blickte zwischen sie hindurch.
    Mein Blick war nun ganz klar, und das vorhin verschwommene Oval zeigte sich mir als das zerfurchte Gesicht eines betagten Mannes.
    »Dr. Pretorius?«
    Ein Lächeln und Nicken. Die Furchen in dem blassen Gesicht vertieften sich. Eine Strähne grauen Haares fiel in die Stirn und wurde von nervigen Fingern zurückgeschoben. Farblose, schmutziggrau schimmernde Augen betrachteten mich. Der Blick war eigentlich nichtssagend, aber ich interpretierte Güte, Intelligenz

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