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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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wichtig?«
    Thomas’ Befremden hielt an, daher ging er nicht auf die Unterbrechung ein. Valerie, die mit ihnen am Tisch saß, folgte der Unterhaltung nicht, sondern streichelte Sol Moscot.
    »Ich habe meinen Service in vielen Banken beworben, aber nicht bei Alberts. Es wundert mich, wie einer seiner Mitarbeiter an meine Nummer kommen konnte.«
    »Also, mein Mann ist ja nicht einfach nur irgendein Mitarbeiter von Herrn Alberts«, antwortete Frau Sudek. Feldberg wechselte einen schnellen, für Thomas sehr auffälligen Blick mit seiner Mutter, worauf diese sich erhob, um in der Küche nicht minder auffällige Übersprungshandlungen zu verrichten. »Mein Mann hat ja ein ganz besonderes Verhältnis zu Herrn Alberts gehabt … nicht wahr, Frau Alberts, ich erzähle das doch richtig?«
    »Davon weiß ich nichts«, kam es aus der Küche.
    »Was«, sagte Thomas zögerlich, »verstehen Sie denn unter einem besonderen Verhältnis?«
    »Na ja, nicht wahr: durchaus väterlich. So habe ich es zumindest gesehen. Wobei ich sagen muss, Bernhard redet nicht viel über seine Arbeit. So gut wie gar nicht.«
    In der Tür erschien seine Mutter. In einer Mischung aus Schroffheit und zugewandter Herzlichkeit stellte sie die Glaskanne mit frischem Kaffee auf den Tisch. Die nackte Unbeholfenheit dieser Geste verriet nur, dass sie hier, erstens, gewöhnlich nicht selbst servierte, weil es, zweitens, Ullas Aufgabe war.
    »Herr Feldberg«, sagte sie und sah von Feldberg abwechselnd zu Thomas und zurück, »ich möchte, dass Sie sich in der Bank noch einmal nach dem Stand der Dinge erkundigen, ja? Mir wäre es wohler, wenn jemand vor Ort wäre.« Feldberg, der offenbar bereits auf eine solche Anweisung gewartet hatte, erhob sich sofort von seinem Stuhl und ging nach draußen, um seinen Mantel zu holen.
    »Thomas, kannst du bitte Herrn Feldberg begleiten.«
    Thomas, in Gedanken noch bei den Implikationen dessen, was er soeben gehört hatte, schüttelte benommen den Kopf und fragte: »Wie bitte?«
    »Die Bank«, sagte seine Mutter mit einem freudlosen Lächeln. »Es wäre mir lieb, wenn jemand aus der Familie dort wäre.«
    Thomas zögerte. »Was weißt du über diese Sache?«
    »Gar nichts, Thomas. Ich kenne mich in diesen Dingen doch nicht aus.«

7
    Als sie in der Bank ankamen, wurden sie von Maurice Fabre, dem Leiter des Asset-Managements, vor den Konferenzraum geführt. Er sagte, vor einigen Minuten seien die Herren von der BaFin gekommen. Thomas konnte beobachten, wie Feldbergs Gesicht daraufhin seine Farbe erst wechselte und dann ganz verlor.
    »Die BaFin?«, fragte er, um Fassung ringend. »Jetzt schon?«
    Fabre hob die Augenbrauen zum vieldeutigen Zeichen dafür, dass die Angelegenheit auch für sein Dafürhalten weder nachvollziehbar noch beruhigend war.
    »Wo sind die reingekommen?«, fragte Feldberg.
    »Hinten.« Die Antwort schien seine Nervosität ein wenig zu besänftigen. Bevor er mit Fabre in den Konferenzraum ging, sagte dieser zu Thomas: »Es ist schön, dich wieder mal hier zu sehen, Thomas. Wenn auch die Umstände …«
    Feldberg, der ungeduldig bei der Tür wartete, unterbrach ihn, indem er dringlich sagte: »Wir müssen jetzt hier herein, Herr Alberts. Wollen Sie mitkommen?«
    Thomas dachte einen Moment nach. »In welcher Funktion?«
    Ohne zu zögern antwortete Feldberg sachlich: »Sie sind der Sohn des Komplementärs. Vielleicht werden Sie Erbe.«
    Thomas bemerkte, wie Fabre ihm einen Seitenblick zuwarf, ob ihn die beinahe pietätlose Direktheit verletzt hatte. Thomas fühlte sich aber nicht verletzt; die Möglichkeit, als Erbe eingesetzt zu werden, kam ihm lediglich zu abwegig vor angesichts der Kränkungen, die er seinem Vater – nicht allein durch seine Verweigerung eines Bankpostens – zugefügt hatte. In den verschlungenen Eingeweiden des Familienunternehmens hatten sich Geschwulste festgesetzt, die Thomas vor langer Zeit aufgestochen hatte. Entfernt hatte er sie dadurch nicht. Im Gegenteil, der unkontrolliert austretende Eiter hatte auch die gesunden Organe entzündlich werden lassen. Inzwischen wusste er, warum er das getan hatte; oder vielmehr hatte er es gewusst, aber nun schon wieder vergessen. Gute Gründe mochten wohl vorhanden gewesen sein; sie hatten allerdings viel weniger mit der Bank zu tun gehabt, als Thomas sich eingestanden hatte. Jetzt empfand er darin eine tiefe Schuld, als hätte er die Hand, die sein Vater ihm großmütig gereicht hatte, mutwillig und stolz ausgeschlagen. Er besaß keinerlei

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