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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Reh
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Tabletten. Aber es war nicht unangenehm. In seinem Kopf breitete sich Leichtigkeit aus. Das Licht war schummrig, man saß an der Bar, der Barkeeper legte sich für einen Cocktail ziemlich übertrieben ins Zeug.
    »Jetzt mal wirklich, Bernhard: Was weißt du?«
    »Wissen ist das falsche Wort.«
    »Ich kann dir nicht ganz folgen.«
    »Das ist wohl der Grund, weswegen ich die Deals mache und du die Abwicklung.« Er grinste breit, um Simon zu überzeugen, dass es ein Spaß sein sollte. Es überzeugte weder Simon noch Bernhard.
    »Okay, hab verstanden. Ist deine Verantwortung.«
    Bernhard trank einen Schluck. Setzte sich aufrecht hin. Richtig gerade. Doch: Er fühlte sich gut. »Du willst ein paar Sicherheiten. Kann ich verstehen. Das wird schwierig. Das griechische Sparprogramm, die Exit-Diskussionen, die anlaufende Konjunktur im Norden, der schwache Dollar – kein Schwein kann das alles in Beziehung setzen. Du willst eine Sicherheit?« Er beugte sich vor. »Bei diesem Geschäft kann ich nur deshalb so viel Geld verdienen, weil keiner das Risiko eingehen will. Vergiss die Sicherheit. Ich bin die Sicherheit.«
    »Maximus liegt mir wegen des Eigenkapitals in den Ohren.«
    »Vierzig Millionen, oder?«
    »Sollten es sein. Sind es aber nicht. Bei Weitem nicht.«
    »Das wird sich ändern.«
    »Max will das Risiko nicht eingehen. Die wollen einen Stresstest machen.«
    »Max soll sich nicht in die Hose scheißen. Ich hab die Erlaubnis vom Alten. Heute mit ihm telefoniert. Frag ihn.«
    »Ich weiß.«
    »Frag ihn.«
    »Ich glaube nur, der Alberts hat das nicht auf dem Schirm, Bernhard. Max sagt, er ist nicht bei der Sache.«
    Bernhard trank einen Schluck, steckte sich eine Zigarette an. Der Kellner kam. »Rauchen bitte erst ab acht.« Bernhard sah ihn an, dann auf die Uhr, dann wieder zum Kellner. »Ist zehn vor«, sagte er, zog an der Zigarette und drehte sich wieder zu Simon. »Wenn wir kein Eigenkapital haben, müssen wir was riskieren, um welches zu bekommen. Oder sehe ich das falsch.«
    »Sicher. Klar. Aber wir sind nicht im Wilden Westen.«
    »Was soll das heißen: Wir sind nicht im Wilden Westen?«
    Simon rutschte auf seinem Hocker herum. »Hör mal, Bernhard, ich weiß –«
    »Wer von uns beiden macht bei Alberts die Geschäfte?«
    »Bernhard –«
    »Wer macht die Geschäfte?«
    »Du?«
    »Aha. Und habe ich, seit ich dir den Job im Backoffice besorgt habe, habe ich da jemals einen Deal versaut?«
    »Darum geht’s –«
    »Ob ich jemals einen Deal versaut habe.«
    »Nein.«
    Er hob sein Glas und stieß mit Simons an, das noch auf dem Tresen stand. »Gut, dass wir drüber geredet haben.«
    Als er seinen Wagen aus der Tiefgarage geholt hatte und schwerfällig eingestiegen war, beschleunigte er auf 70, auf 80 km/h. Alle Ampeln auf der Mainzer Landstraße gaben grünes Licht. Es war kaum jemand mehr in der Innenstadt unterwegs. Wenn es eine Häuserschlucht gab in dieser überschätzten Stadt, dann hier. Er ließ das Fenster herunter, schoss auf die nächste Kreuzung zu, es wurde rot, er beschleunigte weiter. Als er sich über die Kreuzung tragen ließ, schloss er die Augen. Die Gewissheit, dass sein Weg sich auf diese Weise fortsetzen würde – unbezweifelbar und sicher –, war untrüglich. Die Zeit war gekommen. Er wusste, hatte schon immer gewusst, dass er alles schaffen konnte, was er sich vornahm. Er hatte sich zu lange ablenken lassen.
    Eine ältere Frau, weit vor ihm, zog ihren Hund an der Leine hinter sich über die Straße. Ein Bild kam ihm in den Sinn: wie er an ihr vorüberfuhr und die Frau mit einer leeren Leine auf der anderen Straßenseite ankäme. Er lachte, erst leise, dann prustend. Dieses Bild der Leine, die hundlos hinter ihr herschlingerte. Er gab Gas. Wenn ich sie erwische, dachte er, wird alles gutgehen. Er drehte den   MP 3-Player lauter, ein altes Stück von Guns N’Roses, »Paradise City«. Trat das Gaspedal ganz durch. Die Frau war zur Hälfte über die Straße, jetzt bemerkte sie ihn. Er sah ihre aufgerissenen Augen im gelben Laternenlicht. Er würde sie erwischen. Beide. Er schloss die Augen.
    Das   ABS   drückte ihn in den Gurt. Zehn Meter vor der Frau kam er zum Stehen. Der Hund bellte den Wagen an. Die Frau schimpfte. Er sah in den Rückspiegel: Die Straße war leer. Seine Arme zitterten. Er spürte seinen Herzschlag, seine Knie. Lachte. Nahm den Fuß von der Bremse. Lachte weiter.

11
    Um sich die Zeit zu vertreiben, begann er zu fuchsen. Warf mechanisch Geldstücke in Richtung

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