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Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)

Titel: Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Berg
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mit seiner gepackten Reisetasche zurück. »Ich rufe meine Eltern an und erzähle ihnen, dass wir alle drei übers Wochenende verreisen. Das schlucken sie am ehesten.«
    »Man darf aber nicht lügen!«, rief Lars entrüstet.
    »Manchmal ist die Wahrheit zu grausam«, lautete der knappe Kommentar seines Vaters. »Komm, gib mir einen Abschiedskuss!«
    Lars musste erst mal diese eigenwillige Interpretation von Wahrheit und Lüge verknusen. Sein Abschiedskuss fiel entsprechend halbherzig aus. Anschließend hielt Joachim Anne die Wange hin. So teilnahmslos, dass es sie fröstelte.
    ***
    Auf dem Weg zum Kindergarten gab es für Lars nur ein Thema: sein Wochenende bei Oma Brownie. Anne hatte nachdem Frühstück ihre Mutter angerufen, und die war begeistert von der Wendung der Ereignisse gewesen. Schon am Nachmittag würde sie Lars von der »Villa Sonnenschein« abholen. Somit lag ein ganzes Wochenende vor Anne, das sie allein verbringen würde.
    Ein ganzes Wochenende nur für mich!, dachte sie. Das hat es ja noch nie gegeben!
    Es freute und ängstigte sie zugleich. Klar, zweieinhalb Tage ohne Mann und Kind gaben ihr die Freiheit, zu tun und zu lassen, was sie wollte. Andererseits war die Vorstellung zu ungewohnt, um gleich euphorische Gefühle aufkommen zu lassen.
    »Mama, warum ist die Wahrheit grausam?«, tönte es aus dem Kindersitz.
    Na, super. Als Pädagoge war Joachim eine Null. Mit einem Satz hatte er einen der wichtigsten Erziehungsgrundsätze zerdeppert. Nun musste Anne die Scherben aufsammeln.
    »Man darf nur im äußersten Notfall lügen«, sagte sie. »Normalerweise muss man immer bei der Wahrheit bleiben.«
    »Ach, so.« Kurzes Überlegen. »Ist Oma Brav ein Notfall?«
    Das konnte man wohl laut sagen.
    »Oma Brav hat dich ganz, ganz lieb«, beteuerte Anne. »Auf ihre Weise. Man merkt es nur nicht richtig. Aber sie wäre bestimmt traurig, wenn du ihr sagst, dass du lieber bei Oma Brownie bist.«
    Nun hatte Lars wieder etwas, worüber er nachdenken konnte.
    Vor der »Villa Sonnenschein« herrschte hektischer Betrieb. Lauter buntangezogene kleine Kinder quollen aus den Autos, lachten und schrien durcheinander, kaum gebändigt von ihrenEltern, die einander »Guten Morgen« zuriefen und nach Frau Landmann Ausschau hielten.
    Die Erzieherin wurde förmlich belagert. Jeder holte sich bei ihr die tägliche Dosis Elternstolz. Jeder wollte wissen, wie der Nachwuchs sich machte, und natürlich wollte jeder gelobt werden. Lob verteilte Frau Landmann nämlich gern und ausgesprochen großzügig.
    Heute verzichtete Anne auf die Bestätigung, eine außergewöhnlich gute Mutter mit einem exorbitant begabten Kind zu sein. Sie gab Lars einen Kuss, winkte ein paar Müttern zu, die sie kannte, und ging eilig zu ihrem Mini. Sie wollte Tess anrufen. Schließlich musste beratschlagt werden, was man mit dem freien Wochenende anstellen könnte. War es nicht die perfekte Gelegenheit, auf eine Sex-Recherche zu gehen? In einen dieser Clubs, von denen Tess gesprochen hatte?
    Anne hatte schon ihr Handy in der Hand, als es an der Fensterscheibe der Beifahrertür klopfte. Sie sah zur Seite. Hinter der Scheibe erschien das Gesicht von Frau Landmann. Ihre Miene verhieß nichts Gutes. Leicht entnervt beugte Anne sich nach rechts und kurbelte die Seitenscheibe herunter. Der betagte Mini besaß – im Gegensatz zu Joachims teurer Limousine – keine elektrischen Fensterheber.
    »Hallo, Frau Landmann!«, rief Anne betont fröhlich.
    »Guten Morgen. Kann ich Sie kurz sprechen?«
    O, nee. Nicht schon wieder. Außerdem – wieso eigentlich? Lars hatte doch hoch und heilig versprochen, nicht mehr »elotisch« zu sagen.
    Mit einem resignierten Stöhnen stieg Anne aus und umrundete den Wagen. Die finster zusammengezogenen Augenbrauen der Erzieherin machten ihr fast Angst.
    Frau Landmann hielt sich nicht lange mit Nettigkeiten auf. Sie zog etwas aus der Tasche ihrer wollweißen Steppjacke und hielt es Anne vor die Nase. »Könnten Sie mir bitte mal sagen, was das ist?«
    Einen Moment lang war Anne wie gelähmt. Fassungslos starrte sie das Ding an, das dicht vor ihrem Gesicht baumelte. Es war schwarz. Es war rund. Es hatte zwei schmale Riemen. Es war der Mundknebel aus dem Sex-Shop.
    »Das, ähem, ist …«
    Annes Kopf war leer wie eine Chipstüte, nachdem Joachim sie beim Fernsehen in die Finger bekommen hatte. Nicht ein winziger Krümel. Nichts.
    Frau Landmann klang jetzt unerbittlich wie ein Staatsanwalt. »Ich warte!«
    Himmel, hilf! Beklommen

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