Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
kennst.«
Oma Brownie kicherte mädchenhaft. »Unwahrscheinlich.«
»Schuschu!« Anne drehte sich so heftig zu ihrer Mutter herum, dass ihr der Eisbeutel vom Kopf flog und auf der Bettdecke landete.
»Ich habe dir sehr aufmerksam zugehört, als wir neulich telefonierten. Tja, heißt euer Fürst der Leiden zufällig Ramon?«
Anne ließ fast die Espressotasse fallen. »Du kennst ihn?«
»Ramon Aranja di Silva. Mit bürgerlichem Namen Robert Müller-Ellmann. Wir waren mal zusammen in einem Tantra-Sex-Workshop, aber dann hat er sich – nun ja – in eine ganz andere Richtung entwickelt.«
Eine Gänsehaut kroch über Annes Körper. »Und habt ihr …«
»Von früh bis spät und abends mit Beleuchtung«, zitierte Oma Brownie lachend ihre Tochter. »War eine Phase.«
Gerade wollte Anne mehr über diese erstaunlichen Erfahrungen wissen, als es an der Tür schellte.
»Hast du Pizza bestellt?«, fragte Anne. »Wie in alten Tagen?«
»Nicht, dass ich wüsste. Ich sehe mal nach.«
Eine Minute später stürzte Tess ins Schlafzimmer, in einem funkelnagelneuen Mantel und mit zwei schwarzen Tüten inder Hand. »Meine arme Maus! Du hast eine Gehirnerschütterung? Und ist das wirklich deine Mutter, die mir aufgemacht hat? Sie hat gesagt, ich soll sie duzen! Die Dame hat Charisma ohne Ende, würde ich mal sagen. Da muss sich Mutti aber ganz hinten anstellen.«
Unbehaglich nahm Anne die beiden Tüten in Augenschein. »Warst du etwa sex-shoppen? Hast du immer noch nicht genug?«
»Quatsch.« Tess setzte sich auf die Bettkante. »Ich wollte dir den Sadomaso-Krempel bringen – falls du Verwendung dafür hast. Ich bin runter von dem Zeug.«
»Und ich war noch nicht mal drauf. Bestimmt auch besser so«, erwiderte Anne.
»Och, so für die Heimarbeit …«, grinste Tess. »Wenn Joachim wiederkommt, kannst du ihn gepflegt in die Mangel nehmen.«
» Falls er wiederkommt«. Anne wurde ernst. »Er war heute vor mir im Kindergarten. Hat sich Lars gekrallt und ist mit ihm auf und davon. Jetzt meldet er sich nicht, reagiert auf keine SMS und geht auch nicht ans Handy. Verstehst du? Er hat mein Kind entführt!«
»Nein!«
»Leider ja.« Oma Brownie kam mit einer frischen Kanne Tee zurück und stellte sie zusammen mit einer Tasse auf Annes Nachtschränkchen. Ein dezenter Hinweis darauf, was sie von Annes Koffeinkonsum hielt.
Tess stemmte die Hände in die Hüften. »Wenn er sich bis heute Abend nicht meldet, verständigen wir die Polizei.«
»Ist das wirklich nötig?«, fragte Anne.
»Ich habe da eben mal reingespürt.« Oma Brownie machtees sich wieder im Bett gemütlich. »Es geht Lars gut. Joachim weniger.«
Verblüfft sah Tess ihre Freundin an. »Woher weiß sie das?«
»Schuschu – so nenne ich sie, seit ich sprechen kann – ist ein Buddha, ein Guru und ein Medium«, erklärte Anne. »Und ich rate dir nur eins: Leg dich nie, nie mit ihr an.«
Der Fanfarenton des Handys ließ alle drei zusammenzucken. Anne wurde heiß, so heiß, dass sie innerhalb einer Sekunde zu glühen begann. Zitternd griff sie nach dem Handy.
»Von Joachim!«, kreischte sie auf.
»Was schreibt er?« »Wo ist er?« »Hat er Lars?« fragten Tess und Oma Brownie durcheinander.
Anne konnte kaum die SMS anklicken, so sehr bebten ihre Hände.
Bin mit Lars auf Sardinien , las sie vor. Es geht ihm gut. Mir weniger. Komme Freitag zurück. Gruß, J.
»Genau das hat deine Mutter gesagt«, flüsterte Tess ergriffen. »Es geht Lars gut, Joachim weniger.«
Die Stille, die daraufhin eintrat, hatte etwas Magisches. Als hätten sie eine Erscheinung, starrten Anne und Tess Oma Brownie an.
»Ist keine Hexerei«, murmelte sie gleichmütig. »Nur Energiearbeit, konzentrierte Versenkung und der Spirit des Universums.«
»Ach so«, kicherte Tess, die sichtlich überfordert war von diesem Esoterik-Crashkurs. »Wenn’s sonst nichts ist.«
Anne dagegen war den Tränen nahe. »Lars, mein Lars. Und es geht ihm wirklich gut?«
»Was willst du noch?«, rief Tess. »Eine SMS vom Universum?«
Oma Brownie streichelte die Wange ihrer Tochter. »Ich bin hundertprozentig sicher. Joachim ist ein guter Vater. Die beiden werden sich da unten in der Sonne neu entdecken. Was du gerade erlebst, ist ein Klärungsprozess, und Joachim durchläuft ihn ebenfalls.« Sie lachte schelmisch. »Habe ich dir nicht gesagt, dass auch Joachim auf die Reise gehen wird?«
»Ja, aber Flugzeuge hast du nie erwähnt«, schmollte Anne.
Doch Oma Brownie hatte Recht: Alles fühlte sich auf einmal
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