Gib's mir, Schatz!: (K)ein Fessel-Roman (German Edition)
gut und richtig an. Annes Sorge um Lars wich einem Gefühl wunderbarer innerer Ruhe.
»Was macht ihr hier eigentlich?«, erkundigte sich Tess. »Eine Bademantel-Party? Die Eiswürfel liegen ja schon auf der Bettdecke. Wo sind die Drinks?« »Du bist auf jeden Fall eingeladen«, lächelte Anne. »Joachims Bademantel ist belegt, wie du siehst, aber du kannst gern einen Pyjama von mir haben. Mit dem Innenleben des Kleiderschranks kennst du dich ja aus.«
»Fehlt nur noch Mutti, und die Party ist komplett«, gluckste Tess.
»Darf ich neugierig sein?« Oma Brownie linste zu den schwarzen Tüten. »Hast du Anne etwas Schönes mitgebracht?«
Tess, die freche, vorlaute Tess wurde rot. »Das ist nur, also …«
»Sie ist anders als andere Mütter«, sagte Anne. »Und sie ist eingeweiht.«
»Was?«
»Das Beste kommt erst noch.« Anne klatschte in die Hände. »Sie kennt den Fürsten der Finsternis!«
Tess, die im Begriff war, einen flauschigen, geblümten Flanell-Pyjama aus dem Schrank zu nehmen, fuhr herum. Der Mund war ihr offen stehen geblieben.
»Stell dir, vor, er heißt gar nicht Ramon«, erzählte Anne, »sondern Robert – wie war das noch, Schuschu?«
»Robert Müller-Ellmann. Ich glaube, der hat schon in der Grundschule kleine Kinder verhauen.«
Anne gab ihrer Mutter einen neckischen Klaps. »Was dich nicht davon abgehalten hat, mit ihm in die Kiste zu springen.«
»Ich fall vom Glauben ab.« Tess ließ sich schwer aufs Bett fallen. »Du und Ramon, ich meine, Robert?«
»Alte Geschichten«, winkte Oma Brownie ab. »Ich bin mehr am Jetzt interessiert.«
»Gib ihr einfach die Tüten«, forderte Anne ihre Freundin auf.
Schon im nächsten Moment herrschte eine Stimmung wie auf einer überdrehten Tupperparty. Die Anspannung der vergangenen Stunden und Tage kippte in eine fast hysterische Lachlust um. Nur, dass es eben keine Plastikschüsseln waren, die von Hand zu Hand gingen, sondern sämtliche Utensilien, die Tess für ihre verhängnisvolle Affäre mit dem Fetischfürsten besorgt hatte.
»Toller Flutscher«, kicherte Anne und ließ etwas durch ihre Finger gleiten, was wie ein Teppichklopfer aus schwarzem Leder aussah.
»Flogger«, sagte Tess mit Nachdruck, um zu beweisen, dass sie ihre Bildungslücke inzwischen geschlossen hatte. Immer mehr furchterregende Accessoires packte sie aus, die plötzlich jeden Schrecken verloren. Anne klickte sich zwei Fußfesseln aus Metall an das Handgelenk, als seien sie Armbänder. Tess streifte sich ein nietenbesetztes Ledergeschirr über den Pyjama und stolzierte hüftwackelnd damit auf und ab. Oma Brownie probierte eine Peitsche am Kopfkissen aus.
Sie lachten Tränen, als Anne den Gummiknebel aus einem inzwischen sicheren Versteck holte und dann demonstrierte, wie sie Joachim damit traktiert hatte – inklusive ihrer Anfeuerungsrufe für den »bösen, bösen Jungen«.
So wäre es die ganze Nacht weitergegangen, wenn Oma Brownie nicht irgendwann Anne daran erinnert hätte, dass sie Ruhe brauchte.
»Eine Gehirnerschütterung muss weggeschlafen werden«, erklärte sie. »Wir lassen dich jetzt allein. Oder möchtest du, dass ich bei dir übernachte?«
»Nein, nein, es ist ganz gut, wenn ich jetzt mal ein bisschen für mich bin«, antwortete Anne. »Danke, Schuschu, danke für alles.«
Tess packte die Fetischutensilien zurück in die Tüten. »Willst du die Sachen behalten?«
»Ich glaube nicht.« Anne zog die Bettdecke bis zum Kinn und kuschelte sich in die Kissen. »Dir wird schon was einfallen, wie du sie am besten entsorgst.«
»Na toll. Soll ich sie etwa ans Rote Kreuz spenden? Oder dem Fürsten der Finsternis mit der Post schicken?«
Oma Brownie knöpfte ihren Jeans-Overall zu, den Anne zwischendurch in den Wäschetrockner verfrachtet hatte. »Warum bringst du ihm die Sachen nicht selbst vorbei?«
Es wurde mucksmäuschenstill. Verwundert sahen Anne und Tess Oma Brownie an, die sich in aller Seelenruhe ihre Kette mit dem Peace-Zeichen umhängte.
»Ist das etwa auch einer von deinen Therapietricks?«, fragte Anne.
Oma Brownie genehmigte sich einen letzten Schluck grünen Tee, der längst kalt geworden war. »Ich habe keine Tricks,aber ich kenne ein paar Methoden, um belastende Erlebnisse zu verarbeiten. Und wie ich unsere Freundin Tess einschätze, sollte sie das Kapitel Ramon Auge in Auge mit ihm abschließen. Die Tüten kann sie solange hier lassen, damit sie das Zeug daheim nicht immer vor Augen hat. Weckt nur ungute Erinnerungen.« Tess lächelte
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