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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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Vorhängen. Es war früher Abend – weiches Licht –, als ich sie öffnete. Ich war nervös. Wenn er immer noch dastünde, würde das nicht bedeuten, er wäre gefährlich und gestört? Normale Leute starren doch nicht auf zugezogene Vorhänge. Und trotzdem wünschte ich mir, dass er dort stände. Ich wollte ihn gefährlich und gestört.
    Ich war enttäuscht. Sein Fenster war leblos.
    Ich war wütend auf mich selbst, weil ich so blöd und verzweifelt war. Aber darüber setzte ich mich hinweg. Ich stellte mich hin, versuchte ihn mit meinen Gedanken dazu zu zwingen, dazu herauszufordern, in seinem Fenster zu erscheinen. Er hatte mit diesen Aufdringlichkeiten begonnen; er hatte mir dabei zugesehen, wie ich es mit Martin trieb. Ich wäre verdammt, wenn ich jetzt nicht meine Gelegenheit wahrnähme; verdammt, wenn ich darauf warten würde, dass er mir wieder auflauerte.
    Ob er mich von irgendwoher sehen konnte oder ob es ein reiner Zufall war, weiß ich nicht. Aber schon nach kurzer Zeit bewegte er sich in dem Ausschnitt seines Fensterrahmens und nahm seinen Posten wieder ein.
    Mein Herz pochte wie wild. Aufregung. Angst. Wir blieben ganz still stehen, sahen uns nur gebannt an; so wie Kaninchen im Scheinwerferlicht. Und wie beim letzten Mal wusste ich wirklich nicht, was ich tun sollte.
    Also blieb ich einfach ganz ruhig stehen. Immerhin hatte ich beim letzten Mal den ersten Schritt gewagt, oder? Ich hatte mein Oberteil ausgezogen, und er hatte es mir einfach nachgemacht. Nun, dieses Mal würde er die Initiative ergreifen müssen. Mir waren die Ideen ausgegangen.
    Ich bereitete mich psychisch darauf vor, ihn nachzuahmen. Was auch immer er tat, ich würde es ihm nachmachen. Aber würde ich dazu die Nerven haben? Wohin ich sah, blickte ich auf Fenster, vor denen keine Vorhänge waren. Aber wenn er so mutig wäre, könnte ja auch ich mutig sein.
    Es zeigte sich, dass ich dazu keine Gelegenheit haben würde. Seine einzige Bewegung war die von seinem Fenster fort: was bedeutete, dass ich ihn nicht mehr sehen konnte; was bedeutete, dass er nicht mehr länger interessiert war.
    «Dreckskerl!», fluchte ich. Schon wieder hatte er mich geschlagen. Ich wünschte, ich hätte den Anfang gemacht. Ich wünschte, ich wäre als Erste weggegangen: kühl, locker, gleichgültig, gelangweilt. Dreckskerl!
    Ich drehte mich um, beschloss, die ganze Sache zu vergessen und mich wieder dem Buch zuzuwenden, über das ich eine Besprechung schreiben sollte.
    Das Telefon klingelte.
    Fast flog ich, um abzuheben, hielt dann inne, ließ die Hand einen Moment über dem Hörer schweben. Das musste er sein. Was würde ich sagen? Sollte ich ihn ermutigen? Sollte ich mich beleidigt zeigen? Ihn beleidigen?
    Nach dreieinhalbmal Klingeln müsste sich gleich der Anrufbeantworter einschalten. Ich hob ab, mit trockenem Hals, mit einem Herzen, das wummerte, wummerte, wummerte.
    «Hallo?» Ich klang ängstlich, wie eine alte Frau, die morgens um zwei das Telefon abhebt, weil sich jemand verwählt hat.
    «Beth. Endlich.»
    Sanft, heiser, tief; genauso wie die Stimme auf dem Band. Außer dass ich diesmal noch nicht wusste, was er als Nächstes sagen würde, und dann würde ich antworten müssen.
    Ich verkniff mir ein «Wer sind Sie? Was wollen Sie?», weil es einfach zu sehr nach Hollywood geklungen hätte. Aber etwas anderes wollte mir einfach nicht einfallen, also schwieg ich.
    «Bist du gekommen? Heute Nachmittag – bist du gekommen?», fragte er.
    Mein Blut pulsierte in den Adern. Worauf ließ ich mich da ein? Ich spürte, wie mich Angst durchschoss, so als ob ich «Der Exorzist» sehen oder in der Achterbahn langsam an den höchsten Punkt hochgezogen würde: auf der Suche nach dem Vergnügen, sich zu fürchten. Außer dass man bei Filmen und auf dem Rummelplatz weiß, dass man eigentlich in Sicherheit ist. Man kann sehen, wo die Grenzen sind, wann das Ganze zu Ende ist. Das konnte ich nicht.
    «Nun», drängte er, «bist du?»
    Zwischen uns war eine Verbindung. Und die war sexuell. Dies war der Punkt, an dem ich entweder einen Rückzieher machen und ihm deutlich sagen musste, dass er sich um seinen eigenen Kram kümmern sollte, oder ich musste es wagen.
    Meine Stimme war etwas heiser, als ich zu sprechen begann.
    «Ja, danke», sagte ich. Und dann, um mich noch heißer und unersättlicher erscheinen zu lassen, fügte ich eine Lüge hinzu: «Zweimal.»

Kapitel drei 
    «Warum hast du mich nicht angerufen?», fragte er.
    «Dich angerufen? Wie denn?», antwortete

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