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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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dort. Es ist weich und zart. Beinahe nur wie ein Schatten, eine Art Vlies.»
    Ich machte meine Sache gut. Ich mochte es, wie er mich ausfragte; es entspannte mich. Seine Stimme war knapp und sachlich, so als wäre er ein Beamter, der dann meine Antworten zu protokollieren hatte. Kein schweres Atmen, kein heiseres Drängen.
    «Was hattest du an den Füßen?», fragte er dann.
    «Ach … daran erinnere ich mich gar nicht. Turnschuhe wahrscheinlich. Oder vielleicht Sandalen. Ich habe da solche Sandalen – ich nenne sie immer meine Geisha-Sandalen. Die haben so dicke Holzsohlen, und die Oberseite besteht nur aus zwei breiten, überkreuzten Riemen. Wahrscheinlich hab ich die angehabt. Wobei – ich glaube, ich hab wohl doch eher Turnschuhe angehabt, weil wir ein bisschen rumlaufen wollten, und da wären die Geisha-Sandalen doch nicht so bequem gewesen.»
    «Seid ihr gewandert? Hat dich das so scharf gemacht?»
    «Ja, ich denke schon. Wir waren in Arundel gewesen. Ich war mit einem Typen unterwegs, der Ben heißt. Ich hab ein paar Mal was mit ihm gehabt, dann zwischendurch wieder nicht, eine Art Gelegenheitsliebhaber, der auch ziemlich viel reist. Aber wenn er nach Brighton zurückkommt, besucht er mich eigentlich immer. Manchmal treffen wir uns nur, erzählen uns den neuesten Klatsch. Gehen vielleicht zusammen irgendwohin. Oder gehen miteinander ins Bett. Kommt drauf an, was sonst gerade so los ist in unserem Leben. Entschuldigung, gehört das schon zur Vergangenheit? Langweile ich dich?»
    «Ja, das tut es. Aber nein, das tust du nicht. Erzähl weiter.»
    «Also, er – Ben – war nach ein paar Monaten in Mexiko gerade erst wiedergekommen. Er sagte, er hätte eine ungeheure Sehnsucht, mal wieder richtiges Grün und obendrein irgendetwas Hochherrschaftliches zu sehen. Also führte ich ihn nach Arundel. Da gibt’s ein Schloss, das wirklich vom Feinsten ist. Und das mitten im Grünen liegt.»
    «Noch ein Schloss. Erst Kenilworth und jetzt dies hier. Machen Schlösser dich irgendwie an?»
    «Nein», sagte ich und lachte dabei leise. «Nicht dass ich wüsste. Reiner Zufall, ich schwör’s. Egal, wir sind jedenfalls nicht ins Schloss reingegangen. Wir haben uns einfach nur einen schönen Tag gemacht. Es gibt dort eine Forellenzucht, wo wir die Fische gefüttert haben. Wir verstehen uns gut, Ben und ich. Ließen es uns gutgehen. Unsere Haut war heiß. Ja, das ist noch so eine Sache an sonnigen Tagen. Die Hitze sorgt dafür, dass man sich irgendwie sinnlich fühlt und matt. So ging es mir jedenfalls, ich war entspannt und sorglos, und –»
    «Komm zur Sache, Beth.»
    «Also, kennst du den Bahnhof von Ford?» «Nie da gewesen, nein. Wie sieht er aus?»
    «Genauso wie jeder andere Bahnhof am Arsch der Welt, bloß ein … Pünktchen an einem Schienenstrang, der sich schnurgerade durch die Landschaft zieht. Es gibt einen Bahnübergang und eine Schranke, die sich scheppernd senkt, um die Autos aufzuhalten. Dann zwei Bahnsteige. Alles ganz einfach. Ein paar kleine Gebäude unter Bäumen, einige blaue Blumentöpfe mit Pflanzen drin. Wenn du noch keine Fahrkarte hast, wird’s wahrscheinlich schon schwierig, dort noch eine zu bekommen. Aber es ist der Bahnhof, an dem man umsteigen muss, wenn man den Zug nach Brighton bekommen will, und deshalb sind wir von Arundel nach Ford gewandert. Als wir ankamen, hatten wir den Zug gerade um ein paar Minuten verpasst, also mussten wir irgendwie unsere Zeit totschlagen, und außerdem waren kaum andere Menschen da. Ich erinnere mich nicht mehr daran, warum, aber plötzlich lief er hinüber auf den anderen Bahnsteig, dort, wo es nicht nach Brighton ging. Ich glaube, es war einfach nur aus Spaß. Dort gab es nur ein einziges Gebäude. Vielleicht fühlten wir uns auch ein bisschen wie Forscher. Jedenfalls sah das Haus aus wie ein Schuhkarton aus Ziegelsteinen mit Fenstern drin. Es gab einen Wartesaal, der wie tot dalag – mit Bänken und einem zusammengebrochenen Stuhl, eine Heizung mit einem Schutzgitter darüber. Und da ist es dann passiert. Da haben wir Sex gehabt.»
    «Wie? Drinnen?»
    «Nein, nein. Die Tür war abgeschlossen. Von außen dagegengelehnt. Nun, vielmehr war nur ich es, die dagegenlehnte. Wir verschnauften gerade einen Moment und überlegten, was wir tun sollten, bis der nächste Zug kam. Wir standen also an diesem Gebäude, an der Seite, und ich drückte meine Schulterblätter gegen die Mauer, während ich ein paar Schlucke aus meiner Wasserflasche nahm. Ben war genau neben

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