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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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immer nur zu folgen. Wenn er intime Fotos austauschen wollte, dann wäre ich ja schön blöd, wäre ausgerechnet meins subtil und keusch. Also tat ich es. Ich suchte den Spalten-Schnappschuss raus, den ich am besten fand, und steckte ihn in den Briefkasten.
    Oh, wie dumm von mir.

    Er war unbekleidet vom Hintern aufwärts, sein nackter Rücken war mir zugewandt. Seine ohnehin schon olivenfarbene Haut war wie von einem Schimmer tiefer Sonnenbräune überzogen, und seine Muskulatur war perfekt: sehnige, von körperlicher Betätigung geprägte Konturen, nicht etwa nur vulgäre Kraft. Sein schwarzes Haar war ganz kurz geschnitten, und die Andeutung seines Schädels darunter war gefährlich schön. Sein Kopf war leicht gedreht, die Augen niedergeschlagen, der Mund gerade und geschlossen. Man konnte ein Ohr erkennen, die Silhouette seines Kiefers, einen hohen Wangenknochen und Teile einer großen Habichtsnase.
    Sein linker Arm war am Ellbogen angewinkelt, die Hand vor seinem Körper. Es sah aus, als würde er onanieren, unbemerkt von allen anderen.
    Es war ganz einfach das geilste Foto von einem Kerl, das ich jemals gesehen hatte. Es war so intim und so erotisch, so ausgesprochen frei von Macho-Allüren à la «Schau mich an – seh ich nicht toll aus?». Und bei seiner Betrachtung fühlte ich mich wie eine Voyeurin, die an einem privaten, köstlichen Augenblick teilhat.
    Ich fühlte, wie mich plötzlich Eifersucht durchfuhr wie ein Messerstich. Dies war kein Foto, das er selbst aufgenommen hatte, nicht, wenn er keine Selbstauslöserkamera hatte und eine Menge Zeit für vergebliche Versuche. Wer hatte es gemacht? Wer sonst hatte es schon gesehen?
    Das war nicht fair. Ich wollte etwas, das nur für mich bestimmt war, etwas, das dem Polaroid entsprach, das ich ihm geschickt hatte.
    Je länger ich Ilyas Bild betrachtete, umso mehr bereute ich meine eigenen Bemühungen. Genau in diesem Moment würde er vielleicht schon schmunzelnd auf meine glänzende, rosafarbene Spalte blicken. Wie einfallslos von mir, wie blöd, primitiv und geschmacklos. Ich hatte viel zu viel zur Schau gestellt und ihm trotzdem nichts gegeben – nur ein schlüpfriges, billiges Muschi-Bildchen; genau die Sorte, die ihm auch jedes x-beliebige blöde Wichsmagazin bieten konnte.
    Ein weiteres Mal war es ihm gelungen, mich in die Irre zu führen, diesmal mit Feinsinn.

    «Nettes Foto.»
    Ich grinste reumütig in meinen Hörer. «Danke. In Wirklichkeit sehe ich besser aus.»
    «Ebenso. Was also jetzt?»
    «Wie meinst du das?»
    «Du hast zugestimmt, dich mit mir zu treffen, wenn dir mein Bild gefällt. Hat es das?»
    «Ja, klar. Obwohl ich glaube, dass du ein bisschen geschummelt hast. Im Gegensatz zu mir, zu meinem Foto. Du hast dich ziemlich bedeckt gehalten, ich jedoch war sehr –»
    «Offen.»
    «Haha. Sehr lustig. Ich wollte sagen, ehrlich und aufgeschlossen. Also bin ich der Meinung, dass du mit falschen Karten gespielt hast. Ich meine, du magst zwar einen knackigen Arsch haben und so, aber bei allem, was ich weiß, könnte dein Schwanz trotzdem winzig klein sein.»
    Ich würde ihm weder verraten, wie köstlich ich sein Foto fand, noch, wie unbedeutend mir mein eigenes erschien. Ich hatte mich für seinen Anruf moralisch gewappnet und wollte draufgängerisch erscheinen, und sehr stolz auf mein Klaffendnasse-Muschi-Bild.
    «Ist das alles, woran du interessiert bist, Beth?», fragte er. «Mein Schwanz?» Seine lächelnde Stimme hatte diesmal einen leisen, herausfordernden Unterton.
    «Ja», log ich. «Wir haben uns ja auch bisher nicht mit belangloser Plauderei abgegeben, oder? Dies alles war von Anfang an eindeutig sexuell. Warum sollte man eine Erfolgsformel ändern wollen?»
    «Hmm», sagte er so, als ließe er sich das Ganze gerade noch einmal durch den Kopf gehen, da er mir nicht recht glaubte. «Ist es also das, was du willst? Dass zwischen uns nichts ist als Sex?»
    «Ja», antwortete ich. «Nur Sex. Reiner, unverfälschter, bedeutungsloser Sex.»
    Darüber hatte ich mir bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch gar nicht so richtig Gedanken gemacht. Während ich viel über ihn nachgedacht hatte, zu viel, hatte ich dabei eigentlich nicht an «uns» gedacht.
    Oh, es hatte tausend phantastische Momente gegeben, die ich mir zwischen «uns» vorgestellt hatte, aber das waren lauter einzelne Situationen gewesen. Ständig spielte ich «Was wäre, wenn …»: Was wäre, wenn er jetzt an der Tür klingeln würde? Was wäre, wenn ich ihn jetzt einfach

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