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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Lloyd
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vorbei, die man sich nur vorstellen konnte.
    Am Ende standen, pulsierend und glitzernd, klingelnd und piepsend, die Automatenspiel-Arkaden, die zu versuchen schienen, die Sonne an Leuchtkraft zu übertreffen und den gegenüberliegenden Betonklötzen zuzurufen: «Hey, ihr Spielverderber.» Aber so ist eben Brighton: Bei all der fließend weißen Grazie entlang ihren eleganten Plätzen und Alleen bietet die Stadt wahrlich keinen harmonischen Gesamteindruck. Da wir die U-Bahn-Unterführungen meiden wollten, überquerten wir viel zu viele Fahrbahnen im Sprint und erreichten schließlich die Kings Road. Und endlich die Seepromenade mit ihren trübe und unwirklich anmutenden Lampen, die sich, baumelnd zwischen Masten, quer über Ost- und West-Pier zogen, von denen der eine, mit seinem Riesenrad, grell und aufdringlich wirkte, der andere elegant und verlassen, alle Fenster ohne Glas. Die Sonne stand hoch am wolkenlos blauen Himmel.
    Wir bummelten über die Strandpromenade, schauten durch die mintgrünen Geländer hinaus aufs Meer, ermunterten uns gegenseitig immer wieder, die von allerlei Essensdünsten und Autoabgasen geschwängerte Luft in tiefen Zügen einzuatmen.
    Wir hielten an, um uns über das Geländer zu beugen und zu überlegen, wo zwischen all den Fleischbergen, Schirmen und Liegestühlen wir wohl noch einen Platz für uns selbst finden könnten.
    Gerade fingen wir an, über die Touristen zu schimpfen, die sich an unseren Strand legten und die Tische in unseren Bars belagerten, als plötzlich dieser blonde Typ mit seinen roten Bermudashorts auf dem Skateboard herangebrettert kam. Er machte ein paar Wendungen, drehte ein paar Kurven, kam dann abrupt zum Stehen. Er kannte Mike, wenn auch, wie sich später herausstellte, nicht ganz so gut, wie er tat.
    Als wir weitergingen, rollerte er neben uns her. Als wir die Steintreppen hinunterstiegen und uns unter das Volk auf der unteren Promenade mischten, folgte er uns und redete dabei ununterbrochen auf Mike ein. Und als wir schließlich die lärmenden Verkaufsstände mit Postkarten, Gummischuhen, Windmühlen und Zuckerstangen im Sonderangebot hinter uns ließen, tat auch er das.
    Schließlich fanden wir noch ein Fleckchen auf einem steinigen Strandabschnitt, wo wir uns zusammendrängten. Jen und ich machten erst noch ein bisschen halbherzig mit unserer Arbeitsbesprechung weiter, dann lagen wir nur noch faul in der Sonne. Den größten Teil des Nachmittags hing Luke bei uns rum, zog nur ein- oder zweimal ab, wenn er jemanden entdeckte, den er kannte. Er ging außerdem schwimmen – sehr tapfer, dachte ich, wenn man bedenkt, was da alles für ein Dreck drin rumschwimmen soll – und tauchte anschließend lebendig und tropfnass wieder auf, fuhr sich mit den Fingern durch die zerzausten nassen Haare, ein Lederband mit ein paar Perlen um den Hals, die dünnen roten Bermudas an den Schenkeln klebend.
    Ich habe ihm keine übertriebene Beachtung geschenkt, außer dass ich dachte: Hübsches Gesicht, netter Körper, könnte in einer australischen Soap mitspielen oder im Kinderfernsehen als Moderator auftreten; schade, dass er so ein Angeber ist.
    Es war lähmend heiß, und nur der Hauch einer Brise kam vom Meer herüber. Ich lag da, einen Arm über meine Augen gelegt, das Oberteil hochgerollt, um meinen Bauch zu bräunen, den Rock hochgezogen, um meine Beine zu bräunen. Die Hitze legte sich schwer auf meine schweißnasse Haut. Mal redeten wir, dann wieder eine ganze Weile nicht.
    In einiger Entfernung drangen aus einer Bar Salsa-Rhythmen. Aufgedrehte Kinder rannten über den Strand, jagten sich gegenseitig und schrien dabei. Möwen glitten durch die Luft und kreischten oder stolzierten in der Nähe der Kampierenden herum, furchtlos und riesig groß, um nach Abfällen zu suchen. Luke brachte Bier in Plastikbechern, das so schwer zu besorgen gewesen war, dass wir uns fast nicht trauten, das Zeug auch zu trinken.
    Ich wurde unruhig und wollte wieder nach Hause.
    Die ganze Zeit dachte ich: Ah, das ist seine Hand, die da über meinen Bauch streicht; da sein Kopf, der sich an meine Schenkel schmiegt; dort sein Schwanz, der in mich dringt.
    Würde er langsam und verführerisch sein?, fragte ich mich. Oder ungestüm und hungrig? Ich spürte ein gieriges Verlangen nach ihm. Ich wollte rotglühende Leidenschaft und Tonnen von Testosteron.
    Ich versuchte mir sein Gesicht vorzustellen, mir ein Bild von ihm zu machen, nach dem wenigen, was er mir mit seinem Foto zur Verfügung gestellt hatte.

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