Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit
schüttelte den Kopf. »Ich brauche ihren Namen!«
»Bleib locker, Meister. Ihr Name ist Marilyn …« Er konsultierte seine Notizen. »Marilyn Creedy. Und jetzt würde ich gern mal hören, was Sie wissen, Sir.«
Gideon schob den Reporter zur Seite und rannte los. Und rannte immer weiter.
57
Die Morgendämmerung zog über der Central Bronx herauf, ein schmutzig gelber Fleck, der über dem Mosholu Parkway am Himmel aufging. Gideon Crew starrte aus dem zerkratzten Fenster des Lexington Avenue Express, er sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts. Er saß nun schon seit Stunden in dem Zug, war von der südlichen Endhaltestelle an der Unica Avenue in Queens zur nördlichen Endstation in Woodlawn in der Bronx und wieder zurück gefahren und jenseits jeden Gefühls in das graue Territorium der bloßen Existenz gereist.
Es war Jahre her, seit er das letzte Mal geweint hatte, aber er hatte geweint – vor Wut, vor Trauer und weil er so dumm und eigensüchtig gewesen war.
Doch das lag jetzt hinter ihm. Er war auf der anderen Seite hervorgekommen, und sein Geist hatte langsam, aber sicher wieder zu funktionieren begonnen.
Bestimmte Dinge standen fest. Nodding Crane hatte Orchid ermordet und dann ihre Leiche versteckt, damit sie nicht gleich gefunden wurde, wodurch er Zeit bekam, unbemerkt zu fliehen. Er hatte sie aus zwei Gründen umgebracht. Zum einen bestand die Möglichkeit, dass sie etwas wusste und deshalb sterben musste. Wichtiger aber war: Nodding Crane hatte sie ermordet, um ihn aus der Deckung zu locken. In dieser Hinsicht hatte der Gegner ihn genau richtig eingeschätzt. Aber jetzt musste Nodding Crane sterben. Es gab keinen anderen Weg. Gideon hatte Orchid in diesen Horror hineingezogen; er schuldete es ihr.
Und zweifellos rechnete Nodding Crane genau damit – dass er sie rächen würde.
Während der langen Stunden im Zug hatte Gideon die Details ausgearbeitet. Was Nodding Crane und er suchten, befand sich auf Hart Island. Sie beide würden dorthin fahren, um es zu bekommen. Nur einer würde zurückkehren. Aber Gideon war nicht verrückt, und er wusste, dass er das Blatt zu seinen Gunsten wenden konnte. Und genau hier kam Mindy Jackson ins Spiel. Sie hatte ihr Können unter Beweis gestellt; sie würde seine Geheimwaffe sein.
Er holte sein Handy hervor und wählte ihre Nummer.
Zu seinem großen Erstaunen nahm sie tatsächlich ab. »Gideon?«
»Wo bist du?«, fragte er.
»In der Innenstadt. Hatte noch kein Glück, was die chinesische Frau angeht. Und du? Hast du etwas gefunden?«
»Alles.«
Schweigen. Dann ein kühles: »Erzähl.«
»Zuerst möchte ich dein Versprechen, dass wir die Sache auf meine Weise regeln.«
Pause. »Okay. Gut. Auf deine Art.«
»Wu hatte gar nicht die Pläne für eine Waffe geschmuggelt – er hatte ein Stück Draht bei sich, eingepflanzt in seinem Bein. Dieser Draht besteht aus einem revolutionären neuen Material. Die Zahlen sind die Formel, das Rezept dafür. Bringt man beides zusammen, hat man hat alles, was man zur Herstellung benötigt.«
»Was für eine Art neues Material?«
»Ein Raumtemperatur-Supraleiter.« Er erklärte, warum dieser so bedeutend war, und war beeindruckt, wie rasch sie die sich daraus ergebenden Folgen – und die Gefahren – begriff.
»Die Beine«, fuhr er fort, »wurden nach dem Unfall amputiert. Sie wurden in einem Massengrab auf Hart Island beigesetzt – dem Blutacker von New York. Ich muss mich um ein paar Dinge kümmern, im Anschluss daran fahre ich heute Abend nach Hart Island, um Wus Beine auszugraben.«
»Und wie willst du die finden?«
»Die Körperteile werden beschriftet und der Reihe nach in numerierten Kisten bestattet. Ich habe die Nummer. Wir müssten die ein bisschen … durchsehen. Ich habe alles recherchiert. Es gibt einen Ort, wo man Boote mit Außenbordmotor leihen kann, auf der City Island, hinter der Brücke rechts. Murphy’s Bait and Tackle. Wir treffen uns dort um zehn Uhr.«
»Wie weit liegt die Insel landab?«
»Ungefähr eine Meile nordöstlich von City Island, mitten im Long Island Sound, gegenüber von Sands Point. Bring ein Scharfschützengewehr mit.«
»Ich bin beeindruckt. Wie hast du …?«
Er unterbrach sie. »Nodding Crane wird dort sein.«
»Oh. Verdammt.«
»Denk an unsere Abmachung. Wir erledigen das auf meine Art. Keine CIA -Armee, die auf der Insel einfällt und Nodding Crane verscheucht. Nur du und ich.«
Er klappte das Handy zu. Dann sammelte er einen Fetzen Papier auf, der auf dem Boden des
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