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Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit

Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit

Titel: Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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schließlich ein Taschentuch aus heller Seide mit aufwendiger Stickerei.
    Sorgfältig und liebevoll zog er das Taschentuch hervor. Es hatte seiner Mutter gehört. Er legte es sich auf die Knie, steckte die andere Hand in seine Manteltasche und zog sein Etui mit den Fingerpicks hervor: vier Finger-Picks und ein Daumen-Pick. Sie waren von Blut überzogen und hatten ihren charakteristischen Glanz verloren.
    Er griff nach einer der Mineralwasserflaschen, schraubte sie auf und befeuchtete ein Haushaltstuch. Dann legte er die Fingerpicks vor sich hin, einen nach dem anderen. Vor langer Zeit hatte er ihnen allen Namen verliehen, hatte sie nach Gottheiten benannt, und jetzt, als er einen nach dem anderen reinigte, sann er über den Namen und den Charakter jedes einzelnen Picks nach. Kleiner Finger:
Ao Guang
, Drachenkönig des Ostmeeres, der einst Chaos auf die sündige Welt losgelassen hatte. Ringfinger:
Fei Lian
, Fliegender Vorhang, Gott des Windes. Mittelfinger:
Zhu Rong
, Gott des Feuers. Zeigefinger:
Ji Yushyua Xuan
, Gott der endlosen äußeren Finsternis. Und der Herrscher über sie alle, der Daumen-Pick,
Lei Gong
, »Herzog des Donners«, beauftragt mit der Bestrafung jener Sterblichen, die vom rechten Weg abkamen.
    Nodding Crane verwendete den Daumen-Pick, um die Luftröhre seiner Opfer zu fixieren, während die anderen sie durchtrennten. Dieser letzte Pick war besonders schmutzig und musste ein zweites Mal mit Wasser gereinigt werden, damit er zufriedenstellend sauber war.
    Endlich erstrahlten die Picks wieder aufs Neue, seine liebevolle Zuwendung hatte ihren Frieden und ihr Gleichgewicht wiederhergestellt. Jetzt würden sie ruhen, in Vorbereitung auf neue bevorstehende Übungen. Und Nodding Crane würde sich von ihnen führen lassen.
    Sorgfältig schlug er die Picks in das Taschentuch seiner Mutter ein und legte sie in ein hölzernes Kästchen. Dann streckte er sich auf dem Futon aus und schlief inmitten der ungleichmäßigen nächtlichen Geräusche der Ameisenfarm schnell ein.

56
    »Wo sind die Beine?«
Gideon verlor kaum einmal die Fassung, aber jetzt rastete er aus. Er war außer sich, irrsinnig wütend.
    Der Sektionsgehilfe kam hereingelaufen. »Mann, ganz ruhig …«
    »Niemand hat mir davon erzählt! Kein Mensch hat meine Erlaubnis eingeholt!«
    »Nun schreien Sie doch nicht …«
    »Sie können mich mal! Ich schreie, solange ich will!« Gideons Stimme hallte durch die kahlen Flure. Laufschritte ertönten.
    »Sie dürfen hier drin nicht schreien«, sagte der Gehilfe. »Ich rufe den Sicherheitsdienst, wenn Sie sich nicht beruhigen.«
    »Machen Sie nur! Rufen Sie den Sicherheitsdienst! Fragen Sie die, wer die Beine meines …
Geliebten
gestohlen hat!« Trotz seiner Wut durfte Gideon nicht aus der Rolle fallen.
    Ein weiterer Gehilfe stürmte durch die Metalltür, gefolgt von einem Wachmann. Gideon drehte sich zu ihnen um. »Ich will wissen, wo Marks Beine sind!«
    »Verzeihen Sie«, sagte ein Mann und drängelte sich durch die Gruppe der bestürzten Männer. Er strahlte Ruhe und Autorität aus. »Ich bin Medizintechniker. Sir, Sie müssen sich beruhigen.« Er wandte sich an den Gehilfen. »Holen Sie die Krankenakte des Verstorbenen.«
    »Ich brauche nicht die Krankenakte. Sondern die Beine!«
    »In der Krankenakte steht, was mit den Beinen geschehen ist«, sagte der Mann. Er legte seine Hand beruhigend auf Gideons Arm. »Verstehen Sie? Wir finden schon heraus, was mit den Beinen passiert ist. Ich nehme an …«, er zögerte, dann fuhr er fort, »… dass sie amputiert wurden.«
    Das Wort
amputiert
hing in der Luft wie ein schlechter Geruch.
    »Aber …« Gideon hielt inne. Ihm war augenblicklich klar, dass genau das passiert sein musste. Die Beine waren derart zertrümmert und zerquetscht gewesen, dass keine Operation geholfen hätte. Sicherlich hatte man sie im Zuge der Bemühungen amputiert, Wu das Leben zu retten. Er hätte das gleich erkennen müssen, als er die Röntgenbilder zum ersten Mal sah.
    Der Gehilfe kehrte zurück, gefolgt von der blonden Rezeptionistin, die ein frisch ausgedrucktes Blatt Papier in der Hand hielt. Der Medizintechniker nahm es entgegen, überflog es und reichte es Gideon.
    Es bestätigte, dass die Beine einige Stunden nach dem Unfall amputiert worden waren, zweifellos kurz nachdem die Röntgenbilder gemacht worden waren. Gideon überflog das Blatt noch einmal. Der Unfall lag fast eine Woche zurück. Jetzt waren die Beine für immer verschwunden. Er schluckte. Die Enttäuschung

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