Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit
Dajkovic Gideon in Handschellen in sein Arbeitszimmer stieß. Er trat hinter seinem Schreibtisch hervor, zog eine 45er und richtete sie auf Gideon.
Zum ersten Mal stand Gideon seinem Erzfeind von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Chamblee Tucker wirkte noch wohlgenährter und trinkfreudiger als auf den Dutzenden Fotos, die Gideon im Laufe der Jahre betrachtet hatte. Sein Hals quoll ein wenig über den gestärkten Kragen, die Wangen waren so glatt rasiert, dass sie glänzten, der Bürstenhaarschnitt makellos. In der Gesichtshaut zeichnete sich ein Netz kleiner Äderchen ab, das ihn als jemanden auswies, der regelmäßig und viel trank. Die Kleidung war typisch Washington: teure Krawatte, blauer Anzug, 400-Dollar-Schuhe. Das unpersönliche Arbeitszimmer passte ideal zu dem Mann – Holztäfelung, Inneneinrichter-Antiquitäten, Perserteppiche, an den Wänden prangten Fotos und lobende Erwähnungen.
»Spinnen Sie?«, rief Tucker. »Ich habe Ihnen doch nicht aufgetragen, ihn hierherzuschaffen. Mein Gott, Dajkovic, ich dachte, Sie könnten die Sache allein regeln!«
»Ich habe ihn hierhergebracht«, antwortete Dajkovic, »weil er mir etwas völlig anderes erzählt hat als das, was Sie gesagt haben. Und weil es sich verdammt plausibel angehört hat.«
Tucker sah ihn entgeistert an. »Sie glauben diesem Dreckskerl mehr als mir?«
»General, ich möchte nur dahinterkommen, was hier vor sich geht. Seit Jahren halte ich Ihnen den Rücken frei. Ich habe Arbeiten für Sie erledigt, saubere und schmutzige, und werde das auch weiterhin tun. Aber an diesem Berghang ist etwas Seltsames passiert. Ich fing an, dem Mann hier zu glauben.«
»Und was zum Teufel wollen Sie mir damit sagen?«
»Dass ich Zweifel habe, und sobald das geschieht, bin ich kein effizienter Soldat mehr. Sie wollen, dass ich den Kerl hier beseitige? Kein Problem. Ich befolge Ihre Befehle. Aber ich muss wissen, was vor sich geht, bevor ich ihm eine Kugel in den Kopf jage.«
Tucker sah ihn sehr lange an, dann unterbrach er den Blickkontakt und strich sich mit der Hand über die widerborstigen Haare. Er ging zu einem auf Hochglanz polierten Sideboard hinüber, öffnete eine Tür, holte ein Glas und eine Flasche Paddy hervor, knallte beides auf die Mahagoni-Oberfläche und schenkte sich zwei Fingerbreit ein. Er kippte den Whisky in einem Zug herunter. Dann blickte er wieder Dajkovic an.
»Hat jemand gesehen, wie Sie reingekommen sind?«
»Nein, Sir.«
Tucker schaute von Dajkovic zu Gideon und von Gideon wieder zu Dajkovic. »Was genau hat er Ihnen gesagt?«
»Dass sein Vater kein Verräter war. Und dass er selbst weder ein Terrorist noch mit Terroristen im Bunde ist.«
Tucker stellte sein Glas vorsichtig ab. »Also gut. In der Tat habe ich Sie ein wenig angeflunkert. Sein Vater hat keine Geheimnisse an die Sowjets verraten.«
»Und was hat er getan?«
»Sie dürfen nicht vergessen, Dajkovic, wir befanden uns damals in einem Krieg, im Kalten Krieg. Im Krieg geschehen hässliche Dinge. Kollateralschäden sind unvermeidlich. Wir hatten ein Problem; uns ist ein Fehler unterlaufen. Wir entwickelten einen fehlerhaften Code, was dazu führte, dass ein paar unserer Agenten umkamen. Wenn das herausgekommen wäre, hätte es die gesamte Kryptographie-Abteilung mitgerissen, und zwar zu einer Zeit, als wir verzweifelt ein neues Verschlüsselungsverfahren benötigten. Sein Vater musste zum Wohle des Ganzen geopfert werden. Sie wissen ja, wie es damals war. Entweder die oder wir.«
Dajkovic nickte. »Ja, Sir. Ich erinnere mich.«
»Und jetzt, zwanzig Jahre später, bedroht mich dieser Bursche. Erpresst mich. Versucht, alles niederzureißen, was wir aufgebaut haben, nicht nur meinen Ruf, sondern auch die Reputation einer ganzen Gruppe engagierter, patriotischer Amerikaner zu zerstören. Und deshalb muss er beseitigt werden. Verstehen Sie?«
»Ich habe verstanden«, sagte Dajkovic und lächelte leise. »Sie müssen nicht die Tatsachen verbiegen, um mich dazu zu bringen, dass ich etwas für Sie erledige. Ich bin hundert Prozent für Sie da, wann immer Sie mich brauchen.«
»Sind wir uns einig, was getan werden muss?«
»Absolut.«
Tucker warf einen Blick auf die Flasche und das Glas. »Wollen Sie auch einen?«
»Nein, danke.«
Tucker schenkte sich noch ein Glas ein und kippte den Inhalt runter. »Glauben Sie mir, es ist zu Ihrem Besten. Ich werde Ihnen ewig dankbar sein. Bringen Sie ihn durch die Garage nach draußen und vergewissern Sie sich, dass niemand Sie
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