Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit
Stoßgebet für die gute Arbeit.
»Roland! Bist du da? Mach auf!«
Auf Händen und Knien kroch Gideon den geneigten Eisenwinkelbalken hinauf, hockte sich wieder hin, sprang über die schmale Lücke und packte die untere Luke. Seine Beine schwangen frei hin und her.
Kurz darauf, während die metallene Eingangstür unter lautem Krachen umfiel, zog sich Gideon hoch, kroch aus der Dachluke auf das geneigte Dach und legte sich, schwer atmend, flach hin. Würden die Polizisten daran denken, nach oben zu schauen? Garantiert. Sobald sie den enthaupteten Wachmann entdeckt hätten, würde es in dem Lagerhaus zugehen wie in der Grand Central Station.
Er ließ sich die Dachschräge hinabgleiten, gelangte zur rückwärtigen Tropfkante und spähte darüber hinweg. Gut – im Blickpunkt des Interesses stand immer noch die Vorderseite. Er hörte Rufe und Aufschreie des Schreckens und der Wut. Die Polizisten hatten den enthaupteten Leichnam des Wachmanns gefunden.
Was für ein Wahnsinn.
Gideon packte die Tropfkante, schwang sich darüber, ließ sich auf den Boden fallen und lief auf die Öffnung im Zaun zu, die er zuvor hineingeschnitten hatte. Dann überlegte er es sich anders. Der Mörder schien ungeheuer viel über seine Bewegungen zu wissen, möglicherweise wartete er dort im Hinterhalt. Stattdessen spurtete Gideon zu einem anderen Abschnitt des Zauns, kletterte daran hoch und schnitt so schnell es ging ein Loch in den Stacheldraht.
»He! Du da!«
Verflucht
. Gideon zwängte sich durch den Stacheldraht und spürte, wie der durch seine Kleidung und in seine Haut schnitt. Halb kletterte, halb fiel er auf der anderen Seite hinunter und landete schließlich in irgendwelchen Büschen.
»Hier drüben!«, schrie der Polizist. »Verdächtiger auf der Flucht! Hier entlang!«
Bumm!
Der Polizist schoss auf Gideon, der über den verwilderten Parkplatz auf der Rückseite des Lagerhauses zwischen aufgelassenen Containern, ausgebrannten Autos und alten Kühlschränken davonrannte. Gideon spurtete auf die Bahngleise zu, die am Fluss entlangführten. Er sprang darüber hinweg, zwängte sich durch den durchhängenden Zaun und gelangte zur Uferböschung aus aufgeschütteten Steinen. Der auflandige Wind wehte den Schwefelgestank des Harlem River herüber. Gideon hüpfte von Felsen zu Felsen und sprang in die Fluten.
Unter Wasser schwamm er, so weit er konnte, tauchte auf, um Luft zu holen, machte ein paar Schwimmzüge und kehrte dann – so wenig Wellenschlag wie möglich auslösend – an die Oberfläche zurück. Nachdem er sich des schweren Bolzenschneiders entledigt hatte, ließ er sich stromab treiben, wobei er kein Wasser trat und den Kopf so tief wie möglich im Wasser behielt. Vom Ufer her drangen Rufe und ein unverständliches Gekreische aus einem elektronischen Megaphon. Ein schwacher Suchscheinwerfer schwenkte über die Wasseroberfläche, aber Gideon war schon außer Reichweite. Dennoch wandte er den Kopf ab, damit man nur sein schwarzes Haar sah. Ziemlich viel Treibgut schwamm zusammen mit ihm flussabwärts, so dass er zur Abwechslung mal dankbar für die Nachlässigkeit der New Yorker war. Er überlegte gerade, wie viele Drinks er wohl nach diesem kleinen Bad im Fluss brauchen würde, da wurde ihm klar, dass es egal war, denn er war sowieso schon so gut wie tot.
Er trieb weiter im Wasser und ließ sich von den Fluten bis zu der grotesk gewölbten und hell erleuchten RFK Bridge flussabwärts tragen. Langsam beförderte ihn die träge Strömung zur Manhattan-Seite des Flusses. Inzwischen befand er sich weit außerhalb der Sichtweite der Polizei. Mit ein paar Beinschlägen schwamm er zum Flussufer hinüber, kroch eine mit Steinen befestigte Uferböschung hinauf und wrang das Wasser aus seiner Kleidung. Den Python hatte er irgendwo im Fluss verloren. Und tschüss! Er hätte den Colt sowieso wegwerfen müssen, weil man die Hülsen und Kugeln im Lagerhaus finden würde. Außerdem war die schwere Waffe für seine Zwecke ungeeignet.
Er griff in die Tasche und holte den Ziplock-Beutel hervor, immer noch verschlossen, das Handy darin sicher und trocken.
Auf den Steinen balancierend, erklomm er die Uferböschung, trat durch einen kaputten Maschendrahtzaun und fand sich in einem riesigen Streusalzlagerhof des Straßenbauamts wieder. Rings um ihn herum erhoben sich Hügel von Weiß wie die schneebedeckten Berge in einer fremdartigen, von Nicholas Roerich gemalten Landschaft.
Beim Gedanken an Roerich kam Gideon eine ziemlich
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