Gideon Crew 01 - Mission - Spiel auf Zeit
dem stapelweise Papiere lagen, sah einen Stapel durch und zog mehrere Blätter heraus. »Schau dir das mal an.«
Gideon nahm die Blätter entgegen.
»Auf den ersten Blick sind die Zahlen nichts weiter als eine Liste.« Er hielt ihm ein weiteres Blatt unter die Nase. »Hier, das sind die Zahlen, genauso wie du sie mir gegeben hast. Außer dass ich sie in Dreiergruppen eingeteilt habe. Aber nachdem ich das getan hatte, kam ein bemerkenswertes Muster zum Vorschein. Sieh mal.«
871 050 033 022 014 010
478 364 156 002
211 205 197 150 135 101 001
750 250
336 299 242 114 009
917 052 009 008 004 003
500 278 100 065 057
616 384
370 325 300 005
844 092 060 001 001 001 001
»Was meinst du?«, sagte O’Brien und grinste Gideon amüsiert an. Aber Gideon erkannte das Muster nicht. Manche Leute waren eben doof, was Zahlen betraf.
»Was soll ich meinen?«
»Pass auf. Zehn Gruppen mit dreistelligen Zahlen. Sieh sie dir an. Das Muster müsste jeder Idiot erkennen.«
»Jede Zahlengruppe in absteigender Ordnung?«
»Ja, aber das ist nicht das Wichtige. Betrachte jede Gruppe – zähl sie zusammen.«
Langes Schweigen. »Oh, mein Gott.«
»Richtig. Jede Gruppe ergibt addiert eintausend.«
»Was bedeutet …?«
»Ich würde annehmen, dass es sich um Listen prozentualer Anteile handelt, von denen jede addiert tausend ergibt – oder hundert Prozent mit einer signifikanten Ziffer rechts vom Dezimalkomma. Es handelt sich um irgendeine Art Rezeptur: zehn Formeln, bestehend aus den Anteilen ihrer verschiedenen Elemente, die addiert hundert Prozent ergeben.«
»Hundert Prozent von was?«
»Es könnte sich um eine Formel für hochexplosive Sprengstoffe handeln, eine exotische metallurgische Formel, ein chemisches oder Isotopengemisch. Ich bin kein Chemiker oder Festkörper-Physiker, ich muss einen Fachmann hinzuziehen.«
»Schwebt dir da jemand vor?«
»Sadie Epstein. Sie unterrichtet Physik an der Columbia, Spezialgebiet: Analyse von metastabilen Quasikristallen.«
»Ist sie diskret?«
»Sehr. Aber ich werde ihr nicht viel erzählen.«
»Gib ihr die Zahlen und erfinde eine Geschichte dazu. Denk dir irgendetwas aus. Sag ihr, es handle sich um irgendeine Art Wettbewerb. Dass du eine Reise nach Oxford für die Isaac-Newton-Tagung im September gewinnen kannst.«
»Kannst du eigentlich
nicht
lügen? Du denkst dir Geschichten aus, auch wenn es gar nicht nötig ist.«
»Es macht mir keinen Spaß zu lügen.«
»Du bist der heilige Römische Kaiser der Lügner. Und seit wann bist du so flüssig? Normalerweise bist du immer ziemlich knapp bei Kasse. Wo wohnst du im Moment?«
»Ich ziehe in der Stadt herum. Gestern habe ich in einem Zwanzig-Dollar-Motel in Canarsie übernachtet. Heute schlafe ich im Waldorf. Morgen früh geht’s mit dem Flieger nach Hongkong.«
»Hongkong? Wie lange wirst du weg sein?«
»Nicht mehr als einen Tag. Ich komme vorbei, sobald ich wieder hier bin, mal sehen, was du herausgefunden hast. Aber ruf mich nicht an. Und sorge um Gottes willen dafür, dass diese Sadie Epstein den Mund hält.«
31
Norio Tatsuda flog nun schon seit fast sechs Jahren als Steward die Strecke Tokio–New York der Japan Airlines, und als er den Mann sah, der da auf dem falschen Sitzplatz saß, erkannte er den Typus sofort: einer von diesen unerfahrenen und streitlustigen Fluggästen, die überzeugt waren, nicht respektiert und auf Schritt und Tritt ausgenutzt zu werden. Der Mann trug einen teuren Anzug und einen von diesen lachhaften breitkrempigen amerikanischen Hüten und umklammerte seine Reisetasche aus Kunstleder, als würde sie ihm im nächsten Augenblick von einem der zahlreichen Ganoven und Kriminellen weggeschnappt, die im Flugzeug umherspazierten.
Mit freundlichem, falschem Lächeln trat Tatsuda auf den Herrn zu und verneigte sich knapp. »Dürfte ich Sie bitten, mir Ihren Boarding Pass zu zeigen, Sir?«
»Wozu?«, antwortete der Mann.
»Nun, es scheint, dass die Dame hier«, er zeigte auf die Frau, die hinter ihm stand, »eine Reservierung für den Platz hat, auf dem Sie sitzen, und deshalb wollte ich einen Blick auf Ihre Bordkarte werfen.«
»Ich sitze auf dem richtigen Platz«, sagte der Mann.
Wieder ein Nicken. Tatsuda wandte sich zu der Frau um und wechselte ins Japanische. »Der Herr würde gern Ihren Sitz hier in der Economy Class mit seinem Business-Class-Platz weiter vorn im Flugzeug tauschen. Findet das Ihre Zustimmung?«
Es fand ihre Zustimmung.
Bei einem Passagier wie Gideon Crew, das wusste
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