Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
wenig genießen könnte. »Fliegen wir über irgendetwas Interessantes hinweg?«
Plötzlich ruckte und rasselte die Maschine, und Gideon packte vor lauter Schreck die Armlehnen. Sie stürzten ab. Noch ein Rucken, und noch eines, und dann sah er, wie die Landschaft unter ihnen hin und her schaukelte.
»Kleine Turbulenz, kommt vor in dieser Höhe«, sagte Fordyce leichthin. »Ich gehe am besten noch dreihundert Meter höher.« Er blickte zu Gideon hinüber. »Geht’s Ihnen gut?«
»Bestens«, sagte Gideon mit einem gequälten Lächeln und versuchte, seine verkrampften Finger zu lockern. »Ganz prima.«
»Um Ihre Frage zu beantworten: Wir werden über den ›Versteinerten Wald‹, den Grand Canyon und das Death Valley fliegen. In Bakersfield tanken wir nach, nur um auf der sicheren Seite zu sein.«
»Ich hätte meine Schachtel mit Brownies mitnehmen sollen.«
Die Maschine kam in größerer Höhe in die Waagerechte, dort schien es keine Turbulenzen zu geben, die Luft war weich wie Seide. Gideon war sichtlich erleichtert.
Fordyce zog aus seiner Aktentasche ein Set Fliegerkarten und legte sie sich auf die Knie. Er sah Gideon an. »Haben Sie irgendwelche Ideen, wonach wir auf unserem kleinen Ausflug suchen sollten?«
»Chalker wollte Schriftsteller werden. Die Tatsache, dass er zu diesem Kurs gefahren ist, nachdem er fromm wurde, zeigt, dass die Schriftstellerei zu den wenigen Interessen gehörte, die die Konversion überdauert haben. Vielleicht wollte er ja über die Konversion selbst schreiben. Vergessen Sie nicht, in dem Kurs ging es um autobiographisches Schreiben. Wenn er jemandem in dem Seminar eine Kopie seines Manuskripts zum Lesen gegeben hat – oder wenn sich jemand daran erinnerte, was er vorlas –, dann könnte das interessant sein.«
»Interessant? Das wäre Dynamit. Aber wenn das Manuskript existiert, hat er vermutlich eine Kopie auf seinem Laptop, was bedeutet, dass es in Washington bereits tausend Leute lesen.«
»Mag sein. Vielleicht. Aber nicht alle Autoren benutzen Computer für ihre Arbeit, und wenn er belastendes Zeug darin hatte, kann es gut sein, dass er es gelöscht hat. Wie auch immer. Selbst wenn sich das Manuskript auf seinem Computer befindet, glauben Sie, dass wir es jemals zu Gesicht bekommen?«
Fordyce brummte und nickte. »Guter Punkt.«
Gideon lehnte sich in seinem Sitz zurück und blickte gedankenverloren auf die braungrüne Landschaft, die unter ihnen entschwand. Nach einem langsamen Start nahmen ihre Ermittlungen allmählich Tempo auf – die Ehefrau, die Moschee, Blaine und nun das. Er hatte das kribbelige Gefühl, dass eine dieser Spuren sie irgendwo, irgendwie zu einem Goldschatz führen würde.
29
E r saß auf einem fliegenden Teppich und schwebte sacht durch baumwollweiße Wolken. Laue Lüftchen, zu leicht und sanft, um irgendwelche Geräusche von sich zu geben, liebkosten sein Gesicht und zerzausten ihm die Haare. Der Teppich war so weich, seine Bewegungen waren so beruhigend, dass es schien, als bewege er sich nicht – und doch, tief unten, konnte er die Landschaft dahinziehen sehen. Es war eine exotische Landschaft aus funkelnden Kuppeln und Türmen, weiten, saftig grünen Urwäldern, purpurnen Feldern, die ihre Dünste in den Himmel entsandten. Weit droben warf die ferne Sonne wohltuende Strahlen über die beschauliche Szenerie.
Und dann ging ein jähes, heftiges Rucken durch den Teppich.
Gideon öffnete verschlafen die Augen. Einen Moment lang, immer noch im Bann seines Traums, streckte er die Hand aus, um die Fransen des Teppichs zu packen. Stattdessen trafen seine Finger auf Metall, Knöpfe, die weiche Oberfläche eines Anzeigegeräts.
»Fassen Sie das nicht an!«, herrschte Fordyce ihn an.
Gideon setzte sich abrupt auf – aber nur, um vom Gurt zurückgehalten zu werden. Sofort fiel ihm ein, wo er war: in einem Kleinflugzeug auf dem Flug nach Santa Cruz. Er lächelte und erinnerte sich. »Turbulenzen?«
Keine Antwort. Sie flogen durch eine Schlechtwetterfront, oder etwa nicht? Plötzlich merkte Gideon, dass es sich bei dem, was er für Wolken gehalten hatte, in Wahrheit um dicken schwarzen Qualm handelte, der aus dem linken Motor quoll und den Blick nach draußen versperrte.
»Was ist passiert?«, rief er.
Fordyce war so beschäftigt, dass er zehn Sekunden lang nicht antwortete. »Der linke Motor ist ausgefallen«, erwiderte er knapp.
»Brennt er?« Die letzten Reste von Verschlafenheit verschwanden und wichen reiner Panik.
»Keine Flammen.«
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