Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
Vom Netzwerk:
und damit in die Hände des Liegenschaftsfonds der Stadt Berlin übergegangen war.
    Für das Riesenrad im biederen, braunroten VEB-Anstrich hatte Dossantos allerdings niemanden begeistern können. Jetzt rostete es vor sich hin. Auch die Wildwasserbahn war längst ausgetrocknet und von Gestrüpp überwuchert. Eine kleine Holzachterbahn für Kinder war inzwischen morsch, und das Westerndorf am anderen Ende des Parks glich einer verfallenen Geisterstadt. Nur eine einzige Seele trieb sich noch beständig hier herum.
    »Pedro hat früher im Westerndorf als Cowboy gearbeitet«, erklärte Dossantos. »Lasso schwingen, Platzpatronen verknallen, Touristen erheitern. Dafür durfte er im Spreepark nächtigen. Und das tut er noch heute, niemand stört sich an ihm. Im Gegenteil, er sorgt dafür, dass sich keine Jugendlichen in dem Park herumtreiben. Oder nicht, Pedro? Du sorgst dafür, dass niemand reinkommt und uns stört?«
    Dossantos warf ihm ein Bündel mit Geldscheinen auf den Tisch. Trotz seiner schlechten Augen griff der Penner zielsicher danach und entblößte zwei Reihen schwarzgelber Zähne, so verwittert wie der kleine, wacklige Tisch, der den Großteil des Zimmers einnahm.
    Weil sein Gegenüber offenbar nicht an Smalltalk interessiert war, ließ Dossantos wissen: »Ich brauche Ihre Hilfe.«
    »Ich hab doch schon Ihrem Handlanger …«
    »Sie meinen Bruno. Bitte, das ist mein Assistent.«
    »Was auch immer, ich habe ihm gesagt, dass das ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt ist, um …«
    »Glauben Sie etwa, ich kann mir den richtigen Zeitpunkt aussuchen? Haben Sie eine Ahnung, was …?!« Dossantos ersparte sich den Rest. »Was rede ich? Natürlich, Sie wissen ja, was los ist.«
    »Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben.«
    »Ich an Ihrer Stelle wäre vorsichtig mit dem, was ich sage.«
    Der Mann schwieg.
    »Es ist eigentlich ganz einfach: Ich möchte, dass Sie herausfinden, wo sich die Witwe des ermordeten Lehrers versteckt.«
    »Sie meinen diesen Brodbeck?« Der Mann hob die linke Augenbraue. »Was wollen Sie von seiner Frau?«
    »Sie hat etwas, das mir gehört.«
    »Und wieso soll ausgerechnet
ich
Ihnen helfen?«
    »Einer Ihrer Kollegen, sein Name ist Kalkbrenner, hat sich über die Dienstvorschriften hinweggesetzt.«
    Der Mann guckte griesgrämig. »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Ich habe meine Kontakte. Denen zufolge hat Kalkbrenner nicht den regulären Weg gewählt, um die Frau in Sicherheit zu bringen. Er hält sie auf eigene Faust versteckt. Und ich möchte wissen, wo.«
    »Ist Ihnen klar, was Sie da von mir verlangen?«
    Dossantos wusste, was das bedeutete. Er dachte an das Immobiliengeschäft, das der Mann vor einigen Jahren in Potsdam getätigt hatte, zuungunsten eines enteigneten DDR-Oppositionellen. Natürlich war dem Mann das nicht bekannt gewesen, und als er es schließlich erfuhr, war es zu spät gewesen. Jetzt hatte er Familie, Kinder, einen guten Job und noch viel mehr, was er verlieren konnte. Dossantos lächelte. »Und das haben
Sie
sich selbst zuzuschreiben.«

125
    Kalkbrenner fuhr an den Hochhausbauten Pankows vorbei in die Stadt hinein. Er rief Berger an. Als ihm eine mechanische Stimmte mitteilte, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar sei, wählte er die Nummer seiner Sekretärin. »Dr. Salm war gerade da«, sagte Rita. »Er hat die Ermittlungsberichte gelesen und hatte einige Fragen dazu.«
    »Hat Sebastian ihm nicht helfen können?«
    »Der ist zur Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Hat er dir nichts davon erzählt?«
    Doch, das hat er, aber ich habe es vergessen.
»Wann kommt er zurück?«
    »In anderthalb Stunden, meinte er. Warum?«
    »Ich muss mit euch reden.«
    »Geht es um Frau Brodbeck?« Ritas Scharfsinn würde ihn noch irgendwann ins Grab bringen.
    »Später!«
    Doch seine Sekretärin ließ nicht locker: »Paul, was ist los?«
    »Nichts.«
    »Ich höre es doch an deiner Stimme … du klingst so anders.«
    Er warf einen Blick in den Rückspiegel. Seine Augen lagen klein und müde in den Höhlen, aber das war wenig verwunderlich. Auch dass er sich anders –
besser
 – fühlte als noch am Vortag, erstaunte ihn nicht. Aber er zweifelte, ob er seiner Sekretärin die Gründe dafür erläutern musste. Geschweige denn, ob sie sie verstehen würde.
    »Wo warst du letzte Nacht?«
    Er zögerte nicht. »Zu Hause.«
    »Warum belügst du mich?«, zischte es durch die Leitung.
    »Rita, was soll das?«
    »Ich habe gerade mit Ellen telefoniert. Ich wollte euch beide zum Essen

Weitere Kostenlose Bücher