Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
hält ein Leben lang …«
»Herrgott, Karl-Edmund, nicht deine Scheidung.« Von Hirschfeldt stöhnte auf. »Du weißt ganz genau, was ich meine.«
Hönigs Schultern fielen demütig hinab. »Ich hätte wissen müssen, dass du dahinterkommst.«
»Es gab nur wenige Personen, die über den Aufenthaltsort der Zeugin Bescheid wussten. Und du hast mich gestern auf dem Flur im Abgeordnetenhaus belauscht.«
»Nein!« Karl-Edmund begehrte auf. »Es war reiner Zufall, dass ich dein Gespräch mitbekommen habe.«
»Aber dass du dann alles brühwarm Dossantos weitererzählt hast, das war kein Zufall – und jetzt lüg mich nicht an!«
Hönig sagte etwas, aber die Worte waren zu leise, als dass von Hirschfeldt sie verstehen konnte.
»Sieh mich an, wenn du mit mir redest!«
»Es war wegen Lars«, wiederholte Karl-Edmund.
»Was hat Lars damit zu tun?«
»Er hat Drogen genommen …« Karl-Edmund fiel das Sprechen schwer. »… und dabei jemanden umgebracht. Im
Apollo.
Eine Prostituierte.«
Von Hirschfeldt zählte eins und eins zusammen. »Deshalb warst du gestern während der Sitzung so seltsam.«
»Was glaubst du denn, wie ich mich gefühlt habe? Da stand dieser Dossantos plötzlich vor meiner Tür, zeigte mir meinen Sohn, die Prostituierte … Ihre Leiche … Das viele Blut. Es war schrecklich. Er drohte damit, alles an die Presse zu geben.«
»Er hat dich erpresst!«
»Ja, das hat er. Und glaub mir, es ist mir nicht leichtgefallen, auf seine Forderung einzugehen. Ich kam mir so mies vor. So unendlich mies. Aber stell dir vor, was passiert wäre, wenn bekannt geworden wäre, dass Lars ein Mörder ist. Der Sohn deines besten Freundes. Des Fraktionsvorsitzenden. Was meinst du, wie die Presse sich daraufgestürzt hätte? Welche Meinung die Öffentlichkeit plötzlich über unsere Arbeit gehabt hätte? Über die CDU-Fraktion? Über dich als Innensenator?«
»Karl-Edmund, was redest du da? Du hättest es mir sagen müssen. Wenn es ein Unfall war, von Drogen verursacht, dann hätten wir Hilfe für Lars gefunden. Wir hätten das Thema behutsam in der Presse lancieren können. Und wegen Dossantos hätten wir auch eine Lösung gefunden. Immerhin hat er dich erpresst. Du hättest gegen ihn aussagen können.«
»Dazu war es längst zu spät. Ich konnte nicht mehr anders. Ich habe es für dich getan.«
»Für mich?«
»Ich musste doch deine Karriere retten.«
»Bist du jetzt irre geworden? Wie, glaubst du, stehe ich denn da? Jetzt, da wir die Anklage fallen lassen müssen und der Sohn meines besten Freundes ein Mörder ist? Und dieser beste Freund den Mord sogar noch zu vertuschen versucht hat?«
»Niemand wird davon erfahren. Dossantos hat es mir versprochen. Alles kommt wieder in Ordnung.«
»Nein, Karl-Edmund, das wird es nicht.«
»Aber … ich dachte … wir sind Freunde. Wir stehen das gemeinsam durch. Das waren deine Worte.«
Von Hirschfeldt sah ihn entgeistert an. Er fragte sich, ob er die letzten Wochen und Monate zu sehr mit sich selbst, den Wahlen, seinem Erfolg und der Karriere beschäftigt gewesen war. Hatte er deshalb die Anzeichen der Probleme nicht wahrgenommen, die seinen Freund quälten?
So musste es wohl gewesen sein.
Er fühlte sich schuldig. Trotzdem war das keine Entschuldigung für Karl-Edmunds Vergehen. »Ja, wir sind Freunde. Und gerade deshalb nehme ich es dir übel: weil du mich angelogen und hintergangen hast. Und weil du mich dazu zwingst, etwas zu tun, was ich nie für möglich gehalten hätte.«
Hönig sah erschrocken zu ihm auf. »Wirst du …?!«
»Halt den Mund!« Von Hirschfeldt wollte die Frage nicht hören. Aber noch viel weniger wollte er über die Antwort nachdenken. Stattdessen dachte er an seine Kinder Friederike, Patrick, Frieder jr. und an seine Frau Patrizia. An die Villa in Grunewald. Seine vielen Freunde. Die Partei. Die Kanzlerin. An alles, was er sich geschaffen hatte und was jetzt, mit einem Mal, in sich zusammenzubrechen drohte. Dabei hatte er sich geschworen, es nie aufs Spiel zu setzen. Doch zu welchem Preis? War er bereit, ihn zu zahlen?
»Nein, ich werde nicht darüber reden. Mit niemandem. Es bleibt eine Sache zwischen dir und mir.« Er atmete schwer. »Aber ich erwarte bis zum Abend deine Rücktrittserklärung: Von allen Ämtern, und auch aus der Parteiarbeit wirst du dich zurückziehen. Wir werden uns nicht mehr sehen. Ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben.«
»Aber Frieder, bitte …« Karl-Edmund geriet in Panik. »Das kannst du doch nicht …
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