Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Problem – zum Beispiel Verlassenwerden vom Ehemann oder Partner und dadurch bedingte Mittellosigkeit, die Furcht, die Kinder materiell nicht ausreichend sichern zu können, Überschuldung, plötzliche eigene Arbeitslosigkeit oder die des Ehemannes, drohender Wohnungsverlust – dazu, dass eine Frau sich der Prostitution als vermutete Lösungsmöglichkeit zuwendet. Ich habe keine Frau kennen gelernt, die sich gewünscht hat, Prostituierte zu werden.«
Doch prostituieren wir uns nicht alle, mehr oder weniger täglich? »Ich bin der Meinung«, sagt Felicitas Weigmann, Betreiberin des berühmten
Café Pssst
in Berlin, »dass sich jeder Mensch in einer gewissen Form prostituiert – das zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Leben. Ich würde auch eine Frau, die sich einen reichen Liebhaber hält, um versorgt zu sein und ihren Lebensstandard zu halten oder zu verbessern, als Gelegenheitsprostituierte bezeichnen. Wenn sie den Mann dabei lediglich erträgt und keine Gefühle für ihn hegt, dann ist das für mich persönlich eine sehr viel schwierigere Form der Prostitution. Ich könnte so nicht leben. Im Prinzip kann jede Form von Dienstleistung auch Prostitution sein. Ich glaube, man verkauft sich ab dem Moment, wo man Zugeständnisse machen und über den eigenen Schatten springen muss, um etwas zu erreichen.«
Die dunkle Seite der Prostitution
Berlin ist die Hauptstadt der Prostitution, sie hat keinerlei Sperrbezirk. Berlin ist außerdem Dreh- und Angelpunkt des internationalen Menschenhandels. 80 Prozent der Spielhallen Berlins sind in russischer Hand und dienen der Russenmafia zur Geldwäsche. Jetzt weitet sie ihr Geschäft auf Bordelle und Clubs aus.
Menschenhandel hat viele Gesichter. Das Motiv dagegen ist immer das Gleiche, und zwar für beide Seiten: Geld. Die, die in fremde Länder reisen wollen, weil sie sich dort ein besseres Leben erhoffen, bezahlen so genannte Schleuser, die sie in fremde Länder bringen, und das in der Regel illegal. An diesem Status ändert sich, endlich im Zielland angekommen, nur wenig. Bürger aus Nicht- EU -Staaten bekommen in Deutschland keine Aufenthaltsgenehmigung, deswegen auch keine Arbeitsgenehmigung. Der Traum vom besseren Leben zerplatzt sehr schnell.
Menschenhandel ist nicht gleich Frauenhandel
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Frauenhandel ist nur die übergeordnete Bezeichnung. Unter Frauenhandel fällt auch die Arbeit sogenannter Heiratsvermittler. Frauen, die nicht heiraten wollen, suchen sich Arbeit im fremden Land: Als Haushälterinnen, in der Altenpflege, als Reinigungskraft, in den meisten Fällen aber als Prostituierte.
Etwa 200.000 der 400.000 in Deutschland in der Prostitution tätigen Frauen sind, so Schätzungen der Hurenverbände, Ausländerinnen. Veronika Munk von Amnesty For Women e.V. in Hamburg, geht sogar von mehr aus: »Wir haben 2001 eine bundesweite Erhebung unter NGO s [Non-Governmental Organisations] und GO s, die mit der Zielgruppe arbeiten, vorgenommen«, berichtet sie. »Zwischen 55 und 60 Prozent der in der Prostitution Tätigen sind Migrantinnen. Natürlich ist uns bewusst, dass das nur Tendenzen sind; illegale Menschen kann man nicht zählen, sie entziehen sich jeder Erhebung.«
Migrantinnen, das heißt, die Frauen kommen aus dem Ausland, vor allem aus Lateinamerika (Kolumbien, Dominikanische Republik), Asien (insbesondere Thailand), Afrika (insbesondere Nigeria, Ghana) sowie Osteuropa. Die Verteilung ist unterschiedlich: In Stuttgart beispielsweise arbeiten sehr viele Brasilianerinnen, in Hamburg dagegen sehr viele Thailänderinnen. Frauen aus Mittelosteuropa sind eher in Berlin, Hamburg und im Ruhrgebiet zu finden, was seit vielen Jahren eine der klassischen Einreiserouten ist. In Frankfurt sind sehr wenig osteuropäische Frauen in Bordellen und Laufhäusern anzutreffen – angeblich wegen eines inoffiziellen Agreements zwischen Bordellbetreibern und Polizei, um sich, so heißt es, die »Russenmafia« vom Leib zu halten. Das Agreement scheint gefruchtet zu haben: Der Großteil der Frankfurter Bordelle ist, anders als beispielsweise in Hamburg oder Berlin, nach wie vor in deutscher Hand, oftmals sogar im Besitz alteingesessener Rotlicht-Dynastien. »Russen oder Albaner haben einen gehörigen Respekt davor«, weiß ein einheimischer Milieukenner.
Nicht selten wird mit dem Begriff »Migrantinnen« Menschenhandel in Verbindung gebracht. Menschenhandel ist gemäß §180b Abs. 1 des Strafgesetzbuches gleichgesetzt mit
Zwangsprostitution.
§ 180b Abs. 1 StGB
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