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Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)

Titel: Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Spanien gelangen könne. Seit sie von der Möglichkeit erfahren hatte, wollte sie raus aus ihrem beschissenen Leben daheim.
    Es dauerte aber noch einmal ein Vierteljahr, bis sie das Touristenvisum in den Händen hielt: Es galt für 14 Tage. Anja verstand zwar nicht, warum nur für 14 Tage, doch ihr Bekannter wusste sie zu beschwichtigen. »Erst einmal in Spanien«, so meinte er, »wirst du deine endgültigen Papiere erhalten.« Dafür müsse sie jedoch ihren Pass abgeben, damit er, während sie unterwegs sei, entsprechende Schritte einleiten könne.
    Das klang logisch. Anja händigte ihm ihren Ausweis aus. Sie sprach mit ihrer Mutter, die sich einverstanden zeigte, sich während Anjas Abwesenheit um das Baby zu kümmern. Dafür versprach Anja, ihr regelmäßig einen Teil ihres Lohnes zu schicken.
    Anja reiste mit dem Zug bis an die polnische Grenze, wo sie wie verabredet ein Deutscher abholte. Sie erkannte ihn auf Anhieb, hatte ihr Bekannter ihr doch bis ins Detail beschrieben, wie er ausschauen, was er tragen würde. Der Deutsche schaffte sie über die Grenze nach Deutschland. In Frankfurt a. d. Oder nahm sie ein anderer Mann in Empfang, der sie nach Berlin fuhr. »Von dort geht das Flugzeug nach Spanien«, meinte der Mann.
    ~
    Gewalt spielt beim Menschenhandel entgegen landläufiger Meinung keine Rolle, zumindest am Anfang. Das Landeskriminalamt Hessen hat festgestellt, dass von 60 Prostituierten aus Ost- und Mitteleuropa, die 2001 erfasst wurden, keine der jungen Frauen angab, mit Gewalt nach Deutschland gebracht worden zu sein. Auch das BKA räumt im »Lagebild Organisierte Kriminalität 2000« ein: »Nur wenige Frauen wurden über die Tätigkeit, die sie in Deutschland ausüben sollten, getäuscht.«
    »Neun von zehn Frauen aus Osteuropa, die in Hamburg der illegalen Prostitution nachgehen, kommen freiwillig, aber alle sind Fälle klassischer Armutsprostitution«, erklärt Bernd Schulz-Eckhardt, Chef der Abteilung Organisierte Kriminalität im Hamburger Landeskriminalamt. In allen östlichen Ländern liegt das, was Frauen im Durchschnitt verdienen, weit unter dem Existenzminimum. So suchen viele von ihnen ihr Glück im »Goldenen Westen«.
    Christiane Howe von Agisra e.V.: »Die meisten Frauen, die nach Deutschland kommen, wissen zwar, dass sie in der Prostitution arbeiten werden, nur den wenigsten wird etwas von ›Kellnerin‹ oder ›Serviererin‹ vorgemacht. Sie wissen allerdings nicht, unter welchen Bedingungen sie arbeiten werden, denn in Deutschland in der Prostitution zu arbeiten ist etwas anderes als in Thailand oder Lateinamerika. Hier herrschen härtere Bedingungen, auch von Seiten der Freier, ihrer Anzahl und ihren Wünschen.«
    Beim Berliner Migrantinnen-Hilfswerk Ban Ying e. V. weiß man aus Gesprächen mit Opfern, »dass immer mehr Frauen vor ihrer Abreise gewusst haben, dass sie in der BRD in der Sexindustrie arbeiten würden. Sie waren hiermit einverstanden, wurden aber getäuscht über Arbeitsbedingungen, Verdienstmöglichkeiten und Sexualpraktiken etc, die sie hier erwarten.«
    Das Problem Menschenhandel ist der Zwang, der sich erst aus dem Handel, also der Schleusung nach Deutschland, ergibt. Denn die Vermittler, Schmuggler oder Menschenhändler verlangen von den Frauen, die sie nach Deutschland eingeführt haben, bei Ankunft horrende Summen, Zinsen und Zinseszinsen für diese Dienstleistung. Christian Steiof vom LKA Berlin konkretisiert: »In Deutschland oder im Bordell angekommen, wird den Frauen gesagt: ›Naja, bevor du das Geld verdienst, musst du erst einmal die 4.000 Euro für die Schleusung, die 3.000 Euro für die Auslagen, die der Kumpel drüben für deine Anwerbung hatte, die 1.000 Euro für den falschen Pass zurückzahlen.‹ Das sind für die Frauen erst einmal ein Haufen Schulden, und die Frau ist überhaupt nicht in der Lage, wochen- oder monatelang irgendein Geld für sich in Anspruch zu nehmen.«
    In dieser Situation, hilf- und sprachlos im fremden Land, beginnt der eigentliche kriminelle Kreislauf: Denn verschärft wird die Lage der Frau durch die Illegalität, in der sie sich nach geltendem Ausländerrecht in Deutschland befinden. Zwar hat das Prostitutionsgesetz, das am 1. Januar 2002 in Kraft trat und mit dem die rot-grüne Regierung die Huren aus dem gesellschaftlichen Abseits holen wollte, den Prostituierten in Deutschland mehr Vorteile, vor allem rechtliche Sicherheiten gebracht, leider aber nur den einheimischen Prostituierten. »Den illegal arbeitenden

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