Gier (Ein Paul-Kalkbrenner-Thriller) (German Edition)
Ende der UdSSR nutzte, um zu Reichtum und politischem Einfluss zu kommen. Seine Beziehungen reichen inzwischen bis in die russische Duma.
Nun drängen die Gebrüder auch ins Berliner Rotlichtmilieu. Was uns nicht verwundert, denn Berlin ist
der
Dreh- und Angelpunkt für Prostitution, den internationalen Frauen- und Menschenhandel. Noch besitzt Dossantos in Berlin das größte Stück vom Kuchen, da er bisher den Einflussnahmen anderer widerstanden hat.« Harenstett trank von seinem Bier. Er setzte es ab und wischte sich über die Lippen. »Aber seit einiger Zeit gerät er zunehmend unter Druck.«
»Du gehst also davon aus, dass andere Syndikate hinter dem Blutbad im
Hermano
stecken?«
»Es gibt Restaurantgäste, die in der ersten Vernehmung ausgesagt haben, einige Russen hätten Miguel Dossantos kurz vor dem Brand ihre Aufwartung gemacht. Den Beschreibungen zufolge handelte es sich dabei tatsächlich um Miroslav und Vladimir Jalzin. Es kam zu einer scharfen Auseinandersetzung. Allerdings ohne Handgreiflichkeiten. Insbesondere Samuel wurde ausfallend. Auch die Todesart deutet übrigens auf die Russenmafia hin. Ein Schuss in den Kopf ist deren klassische Hinrichtungsmethode: So verhindern sie, dass das Opfer offen aufgebahrt wird.«
»Gehen die beiden Brüder immer so offensichtlich vor?«
»Eigentlich nicht … Letztlich spielt es aber auch keine Rolle, denn nachweisen wirst du es ihnen sowieso nicht können. Viel entscheidender ist, dass es mit Samuel den Sohn von Miguel Dossantos erwischt hat. Und das lässt Schlimmes befürchten.«
»Ich kann es mir vorstellen.«
»Nein«, widersprach Harenstett und wurde dabei lauter, »du hast keine Ahnung, was hier ab morgen los sein wird. Samuels Tod ist eine offene Kriegserklärung an Dossantos. Jetzt droht ein Bandenkrieg. Mitten in Berlin. Das wäre …« Einige der Umsitzenden schauten argwöhnisch in seine Richtung. Der LKA-Mann dämpfte seine Stimme wieder. »Das wäre ein ziemlich schlimmes Problem. Dagegen sind eure mordenden Schüler die reinste Bagatelle.«
»Na, herzlichen Dank«, meldete sich Dr. Salm zu Wort. »Erst diese unangenehme Sache an der Berthold-Schule. Jetzt das Blutbad. Und morgen womöglich ein Bandenkrieg. Ich kann mir die Schlagzeile schon vorstellen:
Kriminalität in Berlin eskaliert – Polizei machtlos.
«
Kalkbrenner verstand.
Deshalb
war der Chef also höchstpersönlich am Tatort. »Was sollen wir dagegen unternehmen? Es ist nicht unsere Aufgabe, Bandenkriege zu verhindern.«
Harenstett schaute aus dem Fenster hinüber zum
Hermano.
Hilflos hob er die Hände. »Ihr macht das, was ihr immer macht: die Ermittlungen in einem Mordfall aufnehmen. Nur seid ihr jetzt im Bilde darüber, mit wem ihr es zu tun habt.«
Wunderbar.
Die Aussicht, während der Ermittlungen zwischen die Fronten rivalisierender Banden zu geraten, erschien Kalkbrenner nicht gerade verlockend. »Wir ermitteln in einem Fall, der auf …«, er konnte es sich nicht verkneifen, »… Anweisung von ganz oben schnellstmöglich zu den Akten gelegt werden soll. Und bei der dünnen Personaldecke …«
»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn Dr. Salm ungehalten. »Trotzdem haben wir keine andere Wahl. Berger, Sie nehmen sich dieser Sauerei im
Hermano
an. Die Kollegen vom LKA werden Sie, so gut es geht, unterstützen.«
Harenstett nickte bekräftigend. »Wir sollten unbedingt in Kontakt bleiben.« Er lüpfte eine weitere Zigarette aus der Schachtel. Schnell, aber betont auffällig entzündete er sie, als er die Kellnerin auf sich zustürmen sah. »Unbedingt.«
»Genau, halten Sie uns auf dem Laufenden«, sagte Dr. Salm. »Und das gilt auch für Sie, Kalkbrenner. Sie kümmern sich weiterhin um den Fall Brodbeck. Deswegen haben wir Sie ja schließlich aus dem Urlaub geholt.«
50
»Lassen Sie mich zu meinem Sohn!«, hallte eine wütende Stimme über die Köpfe der Schaulustigen hinweg, die sich vor dem
Hermano
versammelt hatten.
Kalkbrenner, Berger und Harenstett befanden sich auf dem Weg zurück zum Restaurant. Sie erkannten Miguel Dossantos auf Anhieb, auch wenn er an diesem Abend anders als auf dem Aktenfoto einen beigefarbenen Anzug trug. Er war drauf und dran, den teuren Zwirn zu ruinieren, als er mit den uniformierten Polizisten rang, die den Tatort absicherten.
»Jetzt lassen Sie mich durch!«
Die Beamten hatten wenig Mühe mit ihm. Auch der kleine Mann in dem gestreiften Einreiher, der an Dossantos’ Seite stand, unverkennbar sein Anwalt Claudio Boccachi, mühte
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