Gier, Kerstin
die
pissgelbe Bluse noch seine Unschuld verloren hatte ...«, zitierte er aus
seinem ungeschriebenen Roman.
Ich formulierte
ein stummes »Halt die Klappe« in seine Richtung.
»Ich mein
ja nur«, sagte er beleidigt. »Die Gelegenheit war günstig. Du bist schließlich
auch nicht mehr die Jüngste und wer weiß, ob du den Kerl morgen nicht schon
wieder abgrundtief hassen wirst.«
Als Tante
Maddy gegangen war und Mum meine Geschwister vor sich her aus dem Zimmer
gescheucht hatte, schloss Gideon die Tür hinter ihnen und sah uns grinsend an.
Leslie hob
beide Hände. »Nein, vergiss es! Ich gehe
nicht. Ich habe wichtige Dinge mit Gwen zu besprechen. Streng geheime Dinge.«
»Dann gehe
ich auch nicht«, sagte Xemerius, hüpfte auf mein Bett und kuschelte sich auf
dem Kopfkissen zusammen.
»Les - es
ist, glaube ich, nicht mehr nötig, Dinge vor Gideon geheim zu halten«, sagte
ich. »Es wäre nicht schlecht, unser aller Wissen in einen Topf zu werfen.« Das
hatte ich doch schön ausgedrückt.
»Zumal ich
bezweifle, dass Google in dieser Angelegenheit wirklich
weiterhilft«, sagte Gideon spöttisch. »Entschuldige, Leslie - aber Mr Whitman
hat neulich so einen niedlichen Ordner herumgezeigt, in dem du ... allerhand,
äh, Informationen gesammelt hattest.«
»Hallo?!«
Leslie stemmte ihre Hände in die Hüften. »Und gerade dachte ich noch, dass du
vielleicht doch nicht so ein arrogantes Arschloch bist, wie Gwen immer gesagt
hat! Von wegen niedlich! Das sind . ..« Sie krauste etwas verlegen die Nase.
»Wie gemein, dass das Eichhörnchen meinen Ordner auch noch rumgezeigt hat!
Diese Internetrecherchen waren am Anfang alles, was wir hatten, und ich war
ziemlich stolz darauf.«
»Aber in
der Zwischenzeit haben wir weit mehr herausgefunden«, sagte ich. »Erstens ist
Leslie nämlich ein Genie und zweitens habe ich mehrfach meinen Groß...«
»Wir
denken natürlich nicht daran, unsere Quellen preiszugeben!« Leslie funkelte
mich an. »Er ist immer noch einer von ihnen, Gwen. Auch wenn er deine Sinne
hormonell vernebelt hat.«
Gideon
grinste breit, während er sich im Schneidersitz auf dem Teppich niederließ.
»Okay. Dann bin eben zuerst ich dran.« Und ohne Leslies Einverständnis
abzuwarten, begann er noch einmal von den Papieren zu erzählen, die er von Paul
erhalten hatte. Anders als ich war Leslie über die Aussage, dass ich sterben
sollte, sobald der Blutkreis geschlossen war, mehr als entsetzt. Sie wurde
richtig blass unter ihren Sommersprossen.
»Kann man
diese Papiere denn mal sehen?«, fragte sie.
»Klar.«
Gideon kramte einige zusammengefaltete Blätter aus seiner Hosentasche, ein paar
andere nahm er aus der Brusttasche seines Hemdes. Das Papier war ziemlich
vergilbt und an den Faltstellen recht fadenscheinig, soweit ich das sehen
konnte.
Leslie
starrte ihn fassungslos an. »Die trägst du einfach so in deinen Taschen
spazieren? Das sind wertvolle Originaldokumente, keine ... Rotzfahnen.« Sie
griff danach. »Die fallen ja beinahe schon auseinander. Das ist wieder mal
typisch Mann!« Behutsam entfaltete sie die Dokumente. »Und du bist dir ganz
sicher, dass es keine Fälschungen sind?«
Gideon
zuckte mit den Schultern. »Ich bin weder Grafologe noch Historiker. Aber sie
sehen genauso aus wie die anderen Originale, die die Wächter aufbewahren.«
»Wohltemperiert
und unter Glas, möchte ich wetten«, sagte Leslie immer noch vorwurfsvoll. »Wie
es sich gehört.«
»Und wie
sind die Leute von der florentinischen Allianz in den Besitz der Papiere
gelangt?«, fragte ich.
Wieder
zuckte Gideon mit den Schultern. »Diebstahl nehme ich an. Ich hatte noch nicht
genügend Zeit, die Annalen nach einem Hinweis zu durchforsten. Ich hatte
überhaupt noch nicht genug Zeit, um das alles zu überprüfen. Seit Tagen laufe
ich mit diesen Papieren durch die Gegend! Ich kann sie auswendig - aber so
richtig schlau bin ich daraus nicht geworden. Außer was diese eine Sache
betrifft.«
»Immerhin
bist du nicht sofort zu Falk gerannt und hast ihm alles gezeigt«, sagte ich
anerkennend.
»Aber ich
habe daran gedacht, genau das zu tun. Dann aber ...« Gideon seufzte. »Im
Augenblick weiß ich einfach nicht mehr, wem ich trauen kann.«
»Traue
niemandem«, raunte ich und rollte dabei dramatisch meine Augen. »Das hat mir
jedenfalls meine Mutter eingeschärft.«
»Deine
Mum«, murmelte Gideon. »Mich würde interessieren, wie viel sie von alldem
weiß.«
»Das
heißt, wenn der Kreis geschlossen ist und der Graf dieses Elixier
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